Hedgefonds in der Bredouille

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In Saus und Braus leben Hedgefondsmanager. Sie feiern Partys auf eignen Inseln und residieren in gigantischen Villen. Ob Chauffeur oder Koch, ob Hausmädchen oder Masseur – sie leben wie die Made im Speck. Doch die Zeiten ändern sich. Rund um den Globus stehen Hedgefonds aufgrund der Börsenkrise unter Druck. Allein im ersten Halbjahr 2008 schlossen mehr als 350 Hedgefonds laut den Experten von Hedge Fund Research Inc. Ein Anleger spielte ein vertrauliches Schreiben über die Performance seiner Fonds amerikanischen Medien zu. Der Fernsehsender CNBC berichtete und zeigte die Entwicklung einiger Adressen. An der Spitze mit 36 Prozent Verlust seit Jahresbeginn rangiert der Templeton Emerging Market Fund von Mark Mobius. Seit fünf Jahren in Folge schaffte es Mobius nicht, seine Benchmark, den MSCI-Emerging-Markets-Index, zu schlagen.
Auf Platz zwei folgt der JWM-Fonds von John Meriwethers mit einem Minus von mehr als einem Viertel. Meriwether ist in der Branche bekannt wie kaum ein anderer. Der ehemalige Salomon-Brothers-Trader hatte 1994 den Long-Term Capital Management (LTCM) gegründet. Er bildete er seinerzeit ein Expertenteam aus Physikern, Mathematikern, Computerspezialisten sowie den zwei Nobelpreisträgern Robert C. Merton und Myron Scholes. In den ersten Jahren entwickelte sich LTCM glänzend. Doch im September 1998 kollabierte der hochspekulative Fonds. Hedgefonds unterliegen so gut wie keinen Anlagerichtlinien, sie können etwa Leerverkäufe im Immobilienmarkt tätigen oder langfristige Positionen in Schweinehälften aufbauen. Die Zentralbank schoss in den LTCM 3,6 Milliarden Dollar hinein, um eine folgenschwere Pleite zu verhindern. Wall-Street-Häuser mussten das Geld gemeinsam aufbringen. LTCM wurde ein Synonym für die Gefahren der Hedgefonds. Das war vor zehn Jahren.
Nun steht Meriwether mit seinem neuen JWM-Fonds womöglich schon wieder vor einer Schieflage. Das Wall Street Journal berichtete über ernsthafte Probleme. Demzufolge verlor der 61-Jährige mehr als 300 Millionen Dollar in seinem größten Fonds. Seine Investoren ziehen zunehmend ihr Geld ab. In London warb Meriwether bereits vor Interessenten um frische Mittel. In einem Brief an seine Investoren schrieb er am 12. September: „Außergewöhnliche Zeiten machen das Leben ungewöhnlich interessant.“ Er kündigte in dem Schreiben an, den Fortgang des größten Fonds mit seinen Geldgebern diskutieren zu wollen. Im vorigen Jahr hatte er in der Spitze 2,6 Milliarden Dollar verwaltet, LTCM war dagegen in der Blütezeit 7,5 Milliarden Dollar schwer. Selbst ein Aus des JWM dürfte der bekannte Geldmanager locker verkraften. Er verdiente in den guten Jahren des JWM mehr als zehn Millionen Dollar Gehalt pro Jahr. Er hat rund 50 Beschäftigte in dem ehemaligen LTCM-Büro in Greenwich, Conneticut. Die ruhige 61.000-Seelen-Gemeinde ist praktisch die Hauptstadt der Hedgefonds-Industrie im Großraum New York. Die günstigen Steuerabgaben lockten die Milliarden-Jongleure in Scharen an. Per Zug ist man in 37 Minuten in Manhattan. Im nahe gelegenen Stamford Yacht Club haben etliche Geldverwalter ihre Segelboote liegen. Meriwether ist schlank wie nie zuvor, berichten Insider. Mit Yoga und Sport hält er sich fit. Ende März hatte er rund 30 Kunden im New Yorker Grand Hyatt Hotel in der Stadtmitte getroffen. Bei einem Mittagsbuffet beklagte er sich, dass die Volatilität an den Märkten enorm und die Preisschwankungen selbst verglichen mit den Untergangszeiten des LTCM extrem seien. Er ist ein Fan von computergestützten Investmententscheidungen. Fraglich ist, ob sich diese Modelle in den starken Auf- und Abwärtsbewegungen bewähren.
Nicht nur alte Hasen haben es inmitten der Börsenkrise schwer, frische Mittel aufzubringen. Auch junge Akademiker mit guten Ideen scheitern. James Perkins Jr. zog mit Turnschuhen, schwarzem Blazer und weißen Jeans bekleidet durch Bars am Times Square, um bei jungen Amerikanern Geld einzutreiben. Sein New Yorker Hedgefonds zielte auf 30- bis 40-Jährige Anleger, die Generation X eben. Perkins begann im Oktober 2007, ein Portfolio mit 80 bis 100 Aktien schwerpunktmäßig aus den Sektoren Kleidung, Handy- und Autohersteller aufzubauen. Der 30-Jährige Yale-Absolvent schnitt zwar mit seinem GendeX Fund von Januar bis Juli besser als der Standard&Poors-500-Index ab. Dennoch summierte sich der Verlust in dem Abwärtsmarkt auf 12,4 Prozent. Im August zog Perkins die Reißleine und gab das verbliebene Geld an seine Anleger zurück. Gegenüber dem Spezialmagazin „Institutional Investor“ begründete er die Schließung kurz und knapp: „Der Zeitpunkt war einfach schlecht.“
Wenig Aufschluss über die künftige Entwicklung gibt übrigens der Blick in die Vergangenheit. Trends drehen sich mittlerweile schneller als je zuvor. Aufgrund der extrem Hebel, die die Jongleure einsetzen, können Fehleinschätzungen schnell in Millionenverluste enden. So brachen im Frühjahr 2008 zwei milliardenschwere Fonds von Peloton Partners in London zusammen. Die beiden Firmengründer Ron Beller und Geoff Grant hatten mit Wetten in den US-Hypothekenmarkt 17 Milliarden Dollar in den Sand gesetzt. Anlässlich des Untergangs warnte Geraud Charpin, Chef-Kreditstratege Europa bei UBS in einer Studie davor, dass sich ein aufsteigender Star ganz schnell in einen gefallenen Engel wandeln kann. Denn die beiden ehemaligen Goldman-Sachs-Experten hatten 2007 ein Plus von 27 beziehungsweise über 80 Prozent ausgewiesen. Treffsicher wetteten sie seinerzeit auf Wertverluste am amerikanischen Subprime-Markt. Das Unternehmen beschäftigte etwa 70 Mitarbeiter in London und Kalifornien. Selbst dem legendären George Soros, der 18 Milliarden Dollar verwaltet, unterlief ein folgenschwerer Fehler: Er stockte im zweiten Quartal seinen Anteil an Lehman Brothers auf 9,5 Millionen Aktien auf. Dann meldete Lehman Insolvenz an.
Ganz böse hat es indes Firmenjäger Guy-Wyser Pratte erwischt. Er steht vor einem Scherbenhaufen. Die meisten seiner Aktienlieblinge sind abgestürzt. Ich hatte den 68-Jährigen New Yorker Fondmanager des öfteren in seinem Büro besucht (Foto). Er hat sich insbesondere auf deutsche Mittelständler eingeschossen. Der Investor ist bekannt dafür, kurz nach seinem Einstieg lauthals den Umbau von Firmen zu fordern, er feuert Manager und zieht zügig zu seinem nächsten Opfer weiter, sobald der Kurs kräftig angestiegen ist. Zu seinen Favoriten zählten der Reise- und Schifffahrtskonzern TUI, der Handyschalenbauer Balda, der Fotodienstleister Cewe Color oder der Roboterhersteller Kuka. Überrascht hat mich, wie schlecht er bei seinen Aktien jedesmal lag.
Bei TUI ging er vor einem Jahr an Bord. Über die Presse drohte er Tui-Lenker Michael Frenzel: „Ich komme nicht zu einem Freundschaftsbesuch. Frenzel muss gehen!“ Wyser-Pratte sicherte sich rund ein Prozent des Grundkapitals für schätzungsweise 18 Euro je Aktie. TUI notiert ein Jahr später bei nur noch 11 Euro, die Aktie ist aus dem DAX geflogen, Frenzel steht noch immer auf der Kommandobrücke. Im Januar 2008 meldete Wyser-Pratte dann den Einstieg bei Balda. Er hatte sich mehr als fünf Prozent der Anteile für sieben Euro unter den Nagel gerissen. Im März warf er sein Paket hektisch mit hohem Verlust auf den Markt, nachdem der Handyspezialist in Zahlungsschwierigkeiten geriet. Mittlerweile ist das Papier auf 0,89 Euro zusammengebrochen. Ähnlich das Bild bei Cewe Color: Hier stieg der Raider im März 2007 ein, als die Notiz um die 37-Euro-Marke lag. Wyser-Pratte forderte die Ausschüttung einer Sonderdividende, den Rücktritt des Vorstandschefs. Auch das ging schief. Rolf Hollander ist noch immer Vorstandsvorsitzender, der Kurs auf 18,94 Euro verblasst.
Kein Wunder, dass die Performance seines EuroValue Fonds grottenschlecht ist. Allein im ersten Quartal 2008 soll sich das Minus Presseberichten zufolge auf 25 Prozent belaufen haben. Darüber hinaus gehende Performancezahlen sind nicht bekannt. Hedgefonds richten sich an institutionelle Investoren und betuchte Privatanleger, diese Anlagevehikel unterliegen daher nicht den strengen Transparenzvorschriften der Publikumsfonds.
Angeblich wollen Wyser-Prattes Kunden ihr Geld aus seinen Fonds wegen der schlechten Performance abziehen. Die Investoren haben sich aber für zwei Jahre gebunden, ehe sie aussteigen können. Zu den Kunden zählen Banken, Versicherungen und reiche Privatanleger. Mit Minisummen gibt sich der Portfoliomanager nicht ab. Mindestens zwei Millionen Dollar sind nötig, um bei seinen Fonds dabei zu sein.
Was würde ich jetzt kaufen? Citigroup, Goldman Sachs, Banc of America und The Blackstone Group. Hinter Blackstone steht der König der Wall Street: Stephen Schwarzman. Er ging mit seiner Beteiligungsgesellschaft Mitte 2007, fast zum Hochpunkt der Wall Street, an die Börse. Seither büßte die Aktie mehr als die Hälfte des Wertes ein. Gut möglich, dass der führende Private-Equity-Investor als ein Gewinner aus der Krise hervorgeht. Viele kleinere Wettbewerber stehen vor dem Aus. Die Aktie notiert zum Buchwert. Mutige setzen auf die Rückkehr des New Yorker Multimilliardärs.
Ebenfalls ein Kauf derzeit: Och-Ziff Capital Management Group LLC. Die Gesellschaft investiert rund um den Globus – selbst auf dem indischen Immobilienmarkt besitzen die New Yorker Anteile. Seit dem Börsengang im November 2007 halbierte sich die Aktie. Sie verwalten 33 Milliarden Dollar für mehr als 700 Investoren. Der Börsenwert der verschwiegenen Geldverwalter beläuft sich auf knapp eine Milliarde Dollar. Der Kurssturz bietet einen günstigen Einstieg.

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