Übernahmewahn an der Wall Street. Was tun?

Eine Übernahmewelle sondergleichen rollt über die Wall Street. Als Bill Doyle, Chef des Düngemittelherstellers PotashCorp, Ende Mai im New Yorker Grand-Hyatt-Hotel im Ballraum auftrat, da konnte er den niedrigen Kurs seines Unternehmens kaum fassen. Ich war seinerzeit vor Ort und überrascht von seiner Rede. Die Kurshalbierung seit Mitte 2008 schien ihn regelrecht aufzuregen. In seiner Ansprache vor Kunden einer Investmentbank wies Doyle eindringlich auf die günstige Bewertung hin. Gut möglich, dass er schon damals ahnte, dass eine feindliche Übernahme droht. Jedenfalls verdeutlichte er gebetsmühlenartig: „Wir haben eine großartige Periode des Wachstums vor uns. Wir sind der führende Düngemittelanbieter. Und Dünger ist notwendig für Lebensmittelproduktion rund um den Globus.“ Er versuchte die Zuhörer wachzurütteln: „Das größte Wachstum, das wir jemals hatten, liegt vor uns.“ Seinerzeit kostete die Aktie rund 96 Dollar. Heute, drei Monate später, liegt die Notiz bei rund 146 Dollar. Der Grund für das Kursplus um 50 Prozent: Der britisch-australische Bergbaukonzern BHP Billiton legte ein Übernahmeangebot in Höhe von 40 Milliarden beziehungsweise 130 Dollar je Aktie vor. Doyle und sein Aufsichtsrat lehnen jedoch die Offerte als zu niedrig ab. Weitere Bieter dürften auf den Plan treten. Berichten zufolge bereitet Rio Tinto mit einem chinesischen Partner ein Gebot vor. Ein heißer Übernahmekampf ist entbrannt.
Der Fall des kanadischen Kali-Produzenten ist kein Einzelfall. Immer mehr Übernahmen bahnen sich an. Allein die Deals, die in der dritten Augustwoche angekündigt wurden, umfassen fast 90 Milliarden Dollar. Die Wall Street spricht von „Merger Mania“, vom Fusionswahnsinn. Der Computerkonzern Dell kündigte am 16. August an, den Datenspeicherspezialisten 3Par für 18 Dollar oder 1,13 Milliarden zu übernehmen. Die Offerte entsprach einer satten Prämie von 87 Prozent auf den Kurs vor der Ankündigung. Jedoch funkte Hewlett-Packard dazwischen und überbot Dell um ein Drittel. HP möchte 24 oder 1,5 Milliarden Dollar bezahlen. Das Duell der Erzrivalen setzte sich fort. Mittlerweile schraubte sich der Kurs von 3Par auf über 32 Dollar in die Höhe, Mitte August kostete das Papier weniger als zehn Dollar. Es zeigt sich an der Übernahmeschlacht, dass beide Hardware-Abieter mit aller Macht in margenträchtigere Nischen expandieren wollen. Mit absurden Folgen. Ob sich der Preis noch rechtfertigen lässt, wage ich zu bezweifeln.
Die zwei IT-Giganten verfügen jeweils über mehr als 13 Milliarden Dollar in Cash. Die Entscheidung, wer den Zuschlag erhält, ist noch nicht gefallen. In dem Sektor machte auch Intel mit der Übernahme des Anti-Virusspezialisten McAfee für 7,7 Milliarden Dollar Schlagzeilen. Intel will seine Chips künftig mit Sicherheitssoftware ausrüsten, so jedenfalls die offizielle Erklärung. Für mich macht der Deal keinen Sinn. Intel zahlt einen Aufschlag von 60 Prozent auf den Kurs! Auch das ist der Wahnsinn. Ende Mai hatte McAfee-Chef David DeWalt auf seiner jährlichen Analystenveranstaltung in New York den Anlegern Kostensenkungen und steigende Umsätze in Aussicht gestellt. Das Trommeln vor den Investoren nutzte jedoch nichts. Die Aktie notierte tief im Keller um die 30-Dollar-Marke und kam auch nach der Präsentation nicht recht vom Fleck. Was dem Kurs auf die Sprünge half, war das Übernahmeangebot. Aktuell kostet das Papier 47 Dollar. Eine ganze Reihe kleinerer Akquisitionen gingen neben den Milliardendeals über die Bühne. So kündigte IBM beispielsweise am 13. August an, den Hersteller von Marketingsoftware Unica für 451 Millionen Dollar zu schlucken.
Die Zeitungen sind jeden Tag mit neuen Deals gefüllt. Ich komme kaum mit dem Lesen nach. Es ist ein Kaufrausch, wie wir ihn selten zuvor erlebt haben. Es liegt an drei Gründen: Die Firmen hocken auf gigantischen Cashbergen. Die Aktien sind billig, daher machen Übernahmen Sinn. Und die Großkonzerne wachsen aufgrund der rezessiven Phase kaum noch, aus diesem Grund helfen Zukäufe um Wachstum den Investoren aufzeigen zu können.
Was also tun angesichts des Akquisitionswahns? Als Value-Investor verfolge ich meine Strategie unbeirrt fort. Es macht in meinen Augen keinen Sinn, gezielt nach Akquisitionskandidaten zu suchen. Es gleicht der Suche nach der Nadel im Heuhaufen. Ich würde einfach exzellente Qualitätsunternehmen kaufen und dann abwarten. Kommt Zeit, kommt Rat. Und denken Sie daran, dass Qualität von Quälen kommt. Das heißt, wenn Sie auf exzellente Firmen setzen wollen, nehmen Sie sich Zeit, lesen Sie die Quartalsberichte, verfolgen Sie die Nachrichten. Je mehr Sie wissen, desto mehr macht das Investieren Spass. Am Dienstag schloss übrigens der Dow Jones wieder knapp über der 10.000er Marke. Mal sehen, wohin die Reise geht in den kommenden Tagen. Mich beunruhigen die Schwankungen nicht. Das juckt mich nicht die Bohne. Viel Erfolg und Glück!

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