KGV: Welcher Preis ist für meine Aktie fair?

Grundsätzlich ist das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) eine gutes Instrument, um die Bewertung einer Aktie einzuschätzen. Es wäre aber freilich ein Fehler, nur auf das KGV zu schauen. Natürlich sollten Sie weitere Kennziffern unter die Lupe nehmen. Schauen Sie in die Bilanz, achten Sie auf die Historie der Gewinne, Dividenden, Cashflows und Aktienrückkäufe.
Das KGV kann bei exzellenten Firmen viel zu niedrig sein.
Finanzautor Morgan Housel vom Börsenportal Fool.com hat eine spannende Liste erstellt. Er hat geschaut, wie teuer Aktien im Jahr 1995 waren (KGV) und was die Aktien fairerweise hätten kosten können, wenn sie acht Prozent Rendite seither für die Anteilseigner produziert hätten.
Nehmen Sie Chevron. 1995 wies der Öl-Titan ein KGV von 31,1 auf. Sie mögen im ersten Moment denken: “Mensch, wie teuer. Ich muss 31 Jahre warten, bis sich das Investment amortisiert hat.” Diese Rationalität war falsch. Denn das KGV von Chevron war mit 31 viel zu günstig. Statt dessen wäre ein KGV von 77,7 fair gewesen, sprich mehr als das Doppelte.
Ähnlich hat der Markt Wal-Mart, Microsoft, HomeDepot und Cisco unterschätzt. Überschätzt hat die Wall Street Alcoa, Bank of America und Hewlett-Packard.
Was lernen wir daraus? Die Wall Street macht verdammt viele Fehler. Ein sehr teures KGV kann im Endeffekt supergünstig sein. Das KGV ist nur eine Momentbetrachtung. Die Kunst besteht darin, Trends ablesen zu können. Wie sieht die Perspektive der Gesellschaft aus? Für Buy-and-Hold-Anleger ist diese Frage extrem wichtig. Die Zukunft muss blendend sein, sonst lohnt sich ein Investment nicht. Das Management muss seriös sein, sonst kann es ein Fiasko werden.
Gewiss, wer hätte gedacht, dass wir eine Finanzkrise bekommen, die unsere Bankaktien in den Abgrund riß? Kaum jemand. Wir können nicht alle Trends, Krisen, Blasen erkennen. Daher ist das Streuen wichtig. Technologie-Aktien sind mit großer Vorsicht zu geniessen, denn die Trends ändern sich schnell.
Einfach zu beziehende Informationgrundlagen wie das KGV werden von der Masse (Herde) gerne als Entscheidungsgrundlage genutzt, weil es sich um ein schnell erhältliches Werkzeug handelt. Zu viele Anleger nutzen es, ohne hinter die Kulissen zu schauen. Schwierig zu deutende Informationen werden hierbei unterschätzt wie Historie, Cashflows, Marktmacht, Margen, Image, Zukunft. Schauen Sie also vor allem auf diese Aspekte.
Achten Sie auf die Psychologie der Masse. Was die Masse liebt, ist sehr wahrscheinlich teuer, was sie haßt, kann günstig sein.
Fazit: Ein KGV von drei bedeutet nicht automatisch, es handelt sich nicht um eine wunderbare Chance. Ein KGV von 30 kann phantastisch günstig sein.

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Martin
11 Jahre zuvor

Da ich die Zukunft nicht kenne, setze ich beim Kauf ein KGV <20 für das nächste Jahr voraus. Zykliker kann man eh nicht mit dem KGV bezogen auf ein Jahr bewerten.

Langfristig ist für den Aktionär nur die Eigenkapitalrendite entscheidend. Denn was ist eine Firma wert deren Eigenkapitalrendite stets über Inflation liegt?

Alex
11 Jahre zuvor

Ich kann mich täuschen, aber bei Alcoa, BoA, und HP war die niedrige Bewertung anscheinend gerechtfertigt… man hat nicht mal 8% pa gemacht.

Was diese tabele am meisten aussagt, ist dass es oft anders kommt als man denkt…

Stefan P.
11 Jahre zuvor

Sehr guter Artikel!
Sehr interessante Tools für die Bewertung der zukünftigen Entwicklung sind der “Job to be done”-Ansatz von Clayton Christensen und Google Trends.
Besonders die Anlagenstrategie von Buffett lässt sich sehr gut mit dem “Job to bone”-Ansatz abgleichen. Befasst man sich näher mit dem “Job to be done”-Ansatz und versteht nach einiger Zeit dessen extrem machtvolle Aussage, so erscheint die Anlagenstrategie von Buffett sehr logisch und plausibel.
Google Trends wiederum ermöglicht sehr interessante Einsichten in die Qualität der öffentlichen Wahrnehmung eines Unternehmens.

Stefan
11 Jahre zuvor

Wirklich sehr guter Artikel!
Vielen Dank dafür Tim!

Allerdings zeigt sich da, dass man das KGV ja wohl kaum als Finanzkennziffer gebrauchen kann! Ich glaube das entscheidende ist wirklich einen Trend erkennen zu können. Wird der Gewinn eines Unternehmens in zehn Jahren deutlich (am besten doppelt so hoch) höher liegen als heute.

Buffett ist sich zum Beispiel sehr sicher, dass Coca Cola in zehn Jahren deutlich mehr verkaufen wird als heute.

Jan
11 Jahre zuvor

Ich versuche die beiden Ansätze zu verbinden. Auf der einen Seite versucht man natürlich Trends zu erkennen und nachhaltige Geschäftsideen zu identifizieren. Aber warum dann nicht auch noch nach KGV (bzw. besser einem 3 oder 5-Jahres-Durchschnitt) weiter selektieren. Da man eh nur eine begrenzte Anzahl Aktien halten kann und sowieso nie die besten haben wird ist es in meinen Augen auch sinnvoll in gute Unternehmen zu investieren die nicht zu tief fallen können (KGV nicht zu hoch). Das ist für mich die “Sicherheitsmarge” falls ich mich bei der Trendidentifikation geirrt habe.

Ich versuche Aktien aus den Branchen Biotech / IT und Banken zu meiden. Kommt für mich nicht in Frage – jedoch wäre die IBM und SAP eine Ausnahme für mich.

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