Elf Schritte, um ein guter Value Investor zu werden

Nachdem ich auf meinen vorigen Blogeintrag einige nette Zuschriften erhielt, entschied ich mich, in den folgenden Tagen mehr über das Value Investing zu schreiben. Ich denke, die Börsenkrise ist ideal, um sich mit dem Thema zu befassen. Heute folgt also mein zweiter Teil.
Um Value Investing besser verstehen zu können, sollten Sie es als eine Kunst und nicht als eine Wissenschaft betrachten. Es ist nicht ein mit Formeln gefütterte Computer, der die Aufgabe des Value Investings übernehmen kann. Wenn es so einfach wäre, wäre das Value Investieren zerstört, denn dann könnte es die Masse machen. Es ist also nicht möglich, nur nach den simplen Bewertungsformeln zu schauen wie KGV, KBV und so weiter. Das wäre zu einfach.
Sie müssen weitergehende Überlegungen anstellen. Der Reihe nach gehe ich auf elf Punkte ein.
1. Suchen Sie nach dem Fehler des Marktes. Zugreifen, wenn es günstig ist
Sie suchen im Endeffekt nach dem Fehler des Marktes. Es geht darum, abzuwarten, bis die Börse einen Fehler macht, indem sie beispielsweise eine einzelne Aktie übertrieben abstraft beziehungsweise völlig unterschätzt. Die Profis sprechen dann von einer „Margin of Saftey“, was nichts anderes als ein Rabatt auf den inneren Wert ist. Denken Sie sich: Der Markt ist dazu da, um Ihnen zu dienen und nicht umgekehrt. Der Markt gibt Ihnen nicht die Orientierung, sondern Sie selbst müssen das tun.
2. Die Börse ist manisch-depressiv. Nutzen Sie das aus
Die Masse macht den Fehler, sich am Markt und den Kursen zu orientieren. Sehen Sie den Markt als ein psychisch-durchgeknalltes Wesen an, das seine Hochs und Tiefs hat. Die Börse reagiert wie ein manisch-depressiver Mensch. Der Markt verhält sich so, als ob er unter einer bipolaren Störung leiden würde. Es gibt eben extreme Aufs und Abs. Ich meine das ernsthaft, das ist kein Scherz. Momentan befinden wir uns auf dem Negativ-Trip der Person, der Markt ist in den freien Fall übergegangen.
In einem Crash kann diese negative Seite der bipolaren Störung natürlich auf Basis einer einzelnen Aktie sichtbar werden, wenn sie nämlich abstürzt. In der Folge wird das KGV und KBV täglich billiger und die Dividendenrendite steigt gleichzeitig. Ein Crash ist aber nicht unbedingt nötig, um gut abzuschneiden an der Börse. Der Kurs-Sturz macht das Value Investing durchaus einfacher, weil es mehr Verkäufer als Käufer gibt.
3. Schlechte Börsenjahre sind ein Geschenk
Wenn Sie investieren, sollte die Börse im Idealfall extrem niedrig sein. Kaufen Sie bevorzugt in verdammt schlechten Börsenjahren und Monaten. Momentan ist das wie gesagt der Fall. Die Stimmung ist rabenschwarz. Wenn die Stimmung zu gut ist, warum sollten Sie dann kaufen? Manchmal sind eben die Preise zu hoch, manchmal zu niedrig. Es ist wie bei RTL: Gute Zeiten, Schlechte Zeiten! In guten Zeiten lehnen Sie sich zurück und freuen Sie sich über Ihre kletternden Depot-Stände. In aller Ruhe können Sie in solchen Phasen Ihre Dividenden kassieren.
4. Lesen Sie viel Literatur über das Value Investing
Ich rate Ihnen, lesen Sie eine aktualisierte Version des Buchs von Benjamin Graham „The Intelligent Investor“ (Intelligent Investieren: Der Bestseller über die richtige Anlagstrategie: Der Bestseller über die richtige Anlagestrategie)
Dieses Buch war immer die Grundlage von Warren Buffett.
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Wenn Sie sich genau überlegen, was Buffett eigentlich macht, dann zieht er im Endeffekt die Kleinanleger über den Tisch. Er verdient an unseren fehlgeleiteten Emotionen. Der Geduldige macht Geld mit den Ungeduldigen. Oder krasser ausgedrückt: Der Smarte macht Geld mit den Dummen.
5. Diversifikation ist gut, aber verzetteln Sie sich nicht
Wenn Sie eine unterbewertete Aktie auf Herz und Nieren geprüft haben, steigen Sie ein. Verzetteln Sie sich anschließend nicht. Kaufen Sie nicht ständig andere Papiere hinzu. Sie sind fortan ein Experte in diesem Papier. Fällt Ihre Lieblingsaktie nun tiefer, kaufen sie mehr Anteile zu. Es geht nicht darum, ein Depot mit 100 bis 150 verschiedenen Titeln aufzubauen. Das machen Fonds, das brauchen Sie nicht zu tun. Es geht darum, durchaus etwas zu streuen, aber nicht zu extrem. Denn wenn Sie sich verzetteln, können Sie nicht mehr den Markt schlagen. Eine höhere Volatilität können Sie ertragen, weil Sie über der Sache stehen. Sie wissen, was Sie tun. Sie brauchen nicht die Strategie eines langweiligen Aktienfonds mit 200 Positionen nachzubilden. Das ist nur was für die Meute, die nichts kapiert. Fondsmanager sind keine Geldzauberer, sie sind nur Meister im Marketing (es gibt nur ganz wenige Fondsmanager, die wirklich gut sind).
Warren Buffett streut wenig. Er steigt dann mit voller Feuerkraft ein, wenn die Börse verrückt spielt. So machte er es bei Coca-Cola. Er kaufte wie ein Irrer, saugte ein Drittel des täglichen Handels bei dem Brause-Anbieter auf. Er kaufte gemeinsam mit Charlie Munger über Monate hinweg Coca-Cola-Aktien. Ich hoffe, Sie haben so viel Geld, um das gleiche zu tun, wenn jetzt die Kurse weiter kollabieren sollten (das war nur ein Scherz).
Mit Coca Cola schuf Buffett einen Schwerpunkt in seinem Portfolio. Das hat ihm nicht geschadet. Also denken Sie immer daran, fokussiert zu investieren. Ich kenne genug Leute, die haben ein Kraut-und-Rüben-Depot. Wenn Sie kaufen, donnern Sie also sehr viel Geld in einen einzelnen Titel hinein. Es muss sich um eine große Summe für Sie handeln. Dann bin ich mir sicher, dass Sie Ihre Hausaufgaben gut gemacht haben und keinen Mist erwerben. Wer wenig einsetzt, schludert gerne.
6. Trading ist nur was für die Masse
Vergessen Sie das Trading. Das bringt nichts. Als Buffett jung war, tradete er. Er merkte sehr schnell, es brachte ihm keinen Mehrwert. Selbst die Profis fallen auf die Nase mit dem Trading. So verbrannte kürzlich JPMorgan Chase-Trader Bruno Iksil über zwei Milliarden Dollar. Ständig machen Trader wie Nick Leeson oder dieser UBS-Bank-Typ Schlagzeilen, wenn sie Milliarden versenken. Die Reichsten der Welt sind keine Trader, sondern Unternehmer, die langfristig denken und handeln.
Warum wirbt dann niemand für Buy and Hold? Ist doch logisch: Weil keine Bank, kein Broker und kein Fonds damit wirklich viel Geld verdienen kann. Es wird nur dort fleißig Werbung gemacht, wo die Taler nur so sprudeln. Denken Sie stets daran. Die Werbeindustrie ist nicht dazu da, um Ihnen wichtige Informationen zu liefern, sie ist stattdessen da, um Geld zu verdienen. Ich mache den Werbenden keinen Vorwurf. Es ist ihr gutes Recht. Das ist in allen Branchen so.
Wer eine langfristige Orientierung hat, der hat dem verrückten Markt gegenüber einen entscheidenden Vorteil: Denn jeder da draußen denkt und handelt kurzfristig. Haben Sie langfristige Positionen in der heutigen Welt, dann können Sie um Meilen besser abschneiden, als die meisten hochbezahlten Fondsmanager. Wenn ein Fonds 20 oder 30 Prozent unten ist, ziehen nämlich die Menschen den Fonds immer weiter runter. Sie verkaufen in der Misere ihre Fondsanteile und der Fondsmanager wird doppelt bestraft. Als Buy-and-Hold-Anleger haben Sie dieses Problem nicht. Geht der Markt runter, sagen Sie sich: „Ja und. Kommt Zeit, kommt Rat.“ Das ist die überlegene Strategie. Gerade momentan ist es ratsam, cool zu bleiben. Viele Positionen können aufgrund der Panik im Markt ganz schön unter Druck geraten.
7. Kaufen Sie nur Qualitätsfirmen, die begeisterte Kunden haben
Wie finden Sie die Qualität, die Sie in Ihrem Depot brauchen? Ganz einfach: Die Kunden müssen von dem Produkt oder der Dienstleistung des Unternehmens begeistert sein. Wenn das der Fall ist, ist das eine gute Voraussetzung. Von Coca Cola sind doch die Fans hellauf begeistert. Es ist Kult für Menschen, das Zeug zu trinken. Insbesondere in den Schwellenländern ist dieses Phänomen zu beobachten. Die Kunden sind derart zufrieden, dass es fast schon erschreckend ist. Wenn die Kunden happy sind, werden Sie das auch als Aktionär sein. Bleiben Sie bei solchen Kult-Marken wie Coca Cola oder Pepsi am besten langfristig dabei.
Die Masse ist auch von Starbucks, Abercrombie & Fitch, Nike, Adidas und so weiter begeistert. Weil das so ist, kann Starbucks für einen Brühkaffee irrsinnige Preise von 2,50 Euro verlangen. Und Adidas kann Baumwollhemdchen mit einem bunten Aufdruck für aberwitzige 39 Euro und mehr verkloppen. Entsprechend fallen die Margen fürstlich aus.
Es gibt einen weiteren Grund, warum eine Aktie super sein kann. Wenn nämlich das Geschäft mit hochwertigen Lizenzen und Patenten unterfüttert ist. Ich kenne mich auf diesem Gebiet nicht sonderlich aus. Aus diesem Grund überlasse solche Aktien lieber den anderen. AOL landete ja übrigens einen Riesen-Deal mit seinen Lizenzen. Der Kurs ist auf und davon.
8. Ein tiefer und breiter Burggraben schützt
Ein weiterer Grund, warum eine Aktie eine hohe Qualität hat, ist der tiefe und breite Burggraben, der um das Unternehmen gezogen worden ist. Nehmen Sie McDonalds: Die haben tausende Filialen rund um den Globus. Wie will ein neuer Konkurrent jemals angreifen? Es ist nicht möglich, dieses Hamburger-Imperium nachzubilden. So viel Geld hat kaum jemand, um diese Investition jemals stemmen zu können. Daher wird sich diese Aktie in 20 oder 30 Jahren gut entwickeln. Konkurrenz kann nur auf kleiner, lokaler, allenfalls nationaler Ebene entstehen.
Noch mächtiger scheint mir in dieser Hinsicht Wal-Mart zu sein. Gewiss hat der Mega-Discounter Probleme in Westeuropa Fuss zu fassen (aus Deutschland zog sich Wal-Mart zurück, nachdem Lidl und Aldi dem Titan das Leben mit Kampfpreisen zur Hölle gemacht hatten). Trotzdem ist das Filialnetz von Wal Mart in der größten Volkswirtschaft der Welt (USA) uneinholbar. Auch in den Schwellenländern hat Wal-Mart die Nase vorn. Die Amis kann wirklich niemand ernsthaft angreifen. Wie will ein Angreifer dieses Imperium nachbauen? Völlig unmöglich.
Dieser Schutz (zufriedene Kunden, Patente, Filialnetz) ist ein Vorteil. Wenn es keine ernsthafte Konkurrenz gibt, hat das einen Mehrwert in Ihrem Depot. So kann der Gigant an der Preisschraube drehen, wie er will. Bei Amazon scheint übrigens auch so ein Größenvorteil einzutreten, ich persönlich halte jedoch die Bewertung der Amazon-Aktie für zu hoch.
9. Gefühle sind nicht gut. Meiden Sie Firmenevents
Werden Sie nicht emotional mit Aktien. Denken Sie neutral über sie. Als Finanzjournalist habe ich den vermeintlichen Vorteil mit vielen Vorständen sprechen zu können. Ich kann mir das Firmengelände anschauen, Fabriken, Filialen besuchen, mit Führungskräften sprechen. Alles in allem denke ich, dass der persönliche Bezug ein Nachteil sein kann. Denn Sie werden durch den persönlichen Kontakt beeinflusst. Aus diesem Grund werden die Journalisten und Analysten ja so oft eingeladen. Sie werden dann von irgendwelchen Schleimbeuteln umgeben, sie erhalten ein schönes Mittag- und Abendessen. Wenn Sie zurück ins Büro müssen, kriegen Sie ein kleines Geschenk mit auf den Weg (eine Taschenlampe, ein Buch, Fussball oder so). Damit Sie immer wieder an die Firma denken, ist doch logisch.
Ich kenne in New York einen einflussreichen Analysten, der wurde im Firmenjet vom Konzernchef einer Bank logiert. Schätzungsweise 80 Prozent der Analystenstudien haben entweder eine “Kauf”- oder “Halte”-Empfehlung. Bei den wenigsten Aktien wird zum “Verkauf” geraten. Analysten, die kritisch sind, geraten häufig unter Druck, müssen sich einen neuen Job suchen.
Journalisten und Analysten haben eine schöne Zeit bei Präsentation, sie genießen in der Regel den Tag. Manchmal werden abends sogar Cocktails gereicht. Sie denken positiv zurück an die Feier. Wenn Sie kein Journalist und kein Analyst sind, haben Sie einen strategischen Vorteil: Sie werden von solchen Events nicht positiv (Gefühl) beeinflusst. Sie sind damit kaum beeinflussbar. Buffett spricht selten mit den Vorständen, bevor er einsteigt. Er liest die Geschäftsberichte, schaut nach den Zahlen. So bleiben die Gefühle außen vor. So blicken Sie auf die Fakten und nicht auf die Emotionen. Buffetts Vorteil ist zudem, dass er nicht an der Wall Street lebt. Fernab in Nebraska wird er von dem täglichen Auf und Ab der Börse nicht manipuliert.
10. Vergessen Sie Biotechs, Soziale Medien, Batterie-Buden
Vergessen Sie neue Trends. Soziale Medien, Biotechs. Nanotechs. Vergessen Sie das besser. Kleine Forschungsbuden haben das Problem, das sie in der Regel nichts verdienen. Die meisten werden scheitern. Was an der Börse zählt, sind Unternehmensgewinne und keine Träume. Warum sollten Sie eine Firma kaufen, die ein völlig neues Flugzeug entwickelt hat und nur auf die Vermarktung dieser Innovation setzt. Und außerdem nichts zu bieten hat? Warum sollten Sie einen neuen Batterie-Entwickler erwerben, einen neuen Solarzellen-Anbieter? Das Risiko ist zu hoch. Die Masse der Anleger liebt solche heißen Aktien. Die Menschen sind begeistert davon, regelrecht entzückt.
Ich kaufe lieber Aktien, die seit Jahrzehnten erfolgreich funktionieren. Bei allem, was neu auf den Markt kommt, gilt: Seien Sie extrem vorsichtig! Einer möglichen hohen Rendite hinterherzujagen, ist ein Traum, der meist zu einem Albtraum wird. Ihr Vorteil als Value-Fan: Es gibt zu viele unqualifizierte Anleger, die solchen heißen Themen hinterher rennt und Hochsolides übersieht. Langjährige Dividendenzahler gelten als langweilig, dabei bietet die Dividende einen erheblichen Mehrwert.
11. Meiden Sie Börsengänge
Börsengänge sind nicht ein Feld für Value-Jäger. Warren Buffett hat in 40 Jahren nicht einen einzigen Börsenkandidaten gezeichnet. Warum? Ganz einfach, IPOs werden immer dann gemacht, wenn die Bewertungen teuer sind. Das hat der Börsengang von Facebook eindrucksvoll gezeigt. Die Aktie ist nun ein Drittel unter den Emissionspreis (38 Dollar) gefallen. Und das nach wenigen Tagen. In wenigen Monaten läuft bei dem Portal die Haltefrist für Altaktionäre ab. Ich mag mir gar nicht ausmalen, was dann mit der Facebook-Aktie passiert. Was für eine Katastrophe für die Anleger!
Leute, die Technologieaktien und IPOs kaufen, sind im Grunde selber schuld. Facebook kann sich meiner Meinung nach nochmals halbieren. Es handelt sich um eine Blase bei den Sozialen Medien. Lassen Sie also die IPOs besser sein. Das ist mehr etwas für Zocker.

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11 Jahre zuvor

Gute Liste.

Besonders gefällt mir der Burggraben und die Bi-Polare Einstellung des Marktes.

Jedoch vorsicht: Nicht immer hat der Markt unrecht :) . Aber langfristig oft!

11 Jahre zuvor

Hi Ulrich!

Danke für das Lob. Stimmt, nicht immer hat Mr. Market Unrecht.

Im Endeffekt sind die aktuellen Kurse ja nur ein Abbild von Stimmungen. Nichts weiter.

Beim langfristigen Kursdurchschnitt zeigt sich dann in der Tat die Ertragskraft, wenn alles mit rechten Dingen zugeht.

Ich werde die obige Liste mit den elf Punkten nach und nach fortsetzen. Die Zeit könnte kaum besser sein. Sollen die Märkte ruhig fallen. Für die Herrschenden ist das Chaos und der Crash natürlich Gift. Denn Sie dürften nach dem Kollaps wohl kaum wieder gewählt werden, diesseits und jenseits des Atlantiks. Es sei denn, sie kriegen bald Ruhe in den Laden, dann kriegen sie vielleicht noch ne 2. Chance.

Für Value Anleger könnte die Situation kaum besser sein. So hart es klingt: Es gibt immer Gewinner und Verlierer.

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