Ich sprach mit Yale-Professor Roger Ibbotson für das WirtschaftsBlatt. Er managt den Hedgefonds Zebra Capital. Ibbotson schrieb etliche Investmentbücher. Er gewann mehrmals den „Graham & Dodd-Preis“, der nach Warren Buffetts Mentor Benjamin Graham und Professor David Dodd benannt ist.
Ich habe in dem Gespräch sehr viel gelernt. Im Grunde sagt Ibbotson, eine Strategie mit niedrigen Beta-Aktien ist seit den 1970er Jahren überlegen gegenüber „heißen“ Aktien (mit hohem Beta). Ein niedriges Beta steht für stabile Aktien, wenig Risiko, wenig wildes Auf und Ab. Typischerweise sind das langweilige Unternehmen. Langweilig sind gewöhnlicherweise Anbieter von Putzmitteln, Lebensmittelfabriken, Supermarktketten, Versorger…
Genau diese Strategie verfolgt Warren Buffett. Das Genie kaufte vor Jahrzehnten Coca-Cola, Johnson & Johnson, Wells Fargo, Procter & Gamble, Wal-Mart. Langweilige, unbeliebte, unterschätzte Namen, für die sich kaum jemand an der Wall Street interessierte. Oder denken Sie an seinen Autoversicherer Geico (wie unsexy) oder seine Schokoladenfabrik See`s Candy, die Pralinenschachteln mit dem Gesicht einer Oma obendrauf verkauft (wie unmodern).Wenn die Meute an der Börse Internetbuden, Sozialen Medien, Softwarefirmen, dem Gold oder was auch immer hinterher rennt, macht Buffett immer das Gegenteil der Masse.Ibbotson sagt einschränkend, Buffetts Strategie sei nun so bekannt, dass sie heute womöglich nicht mehr funktioniere, weil sich zu viele Anleger danach richteten.
Das rät Professor Ibbotson heute zu tun:
1. Aktien schlagen Anleihen.
2. Aktien mit geringer Volatilität schnitten bislang besser als Aktien ab, die wild springen. Das kann sich ändern.
3. Aktien, die unpopulär sind und kaum gehandelt werden, haben mehr Potential als die Lieblinge der Masse.
4. Firmen mit Problemen sind zu bevorzugen gegenüber Firmen, bei denen alles rund läuft, weil das Optimierungspotential größer ist.
Ich meine: Trotz dieser Hilfestellung ist es schwierig den Markt zu übertreffen.
Fazit: Kaufen Sie unbeliebte Firmen mit Problemen. (Passen Sie trotzdem beim Risiko auf.)
Tim, gerade der Punkt 4 ist mit größter Vorsicht zu genießen! Denn gerade bei Problemfirmen kann man schnall einen Totalverlust erleiden, nicht jede Turnaroundstory nimmt ein gutes Ende. Apple hat prima funktioniert, Praktiker oder Lehmann Brothers nicht.
Buffett selbst sagt, man solle nicht auf Problemfirmen setzen, sondern sich die Top-Unternehmen herauspicken, die vorrübergehend in Probleme gekommen sind. Schlechte Unternehmen bleiben schlecht, gute Unternehmen erholen sich, so sein Credo. Ich denke, der Erfolg gibt ihm recht, denn er hat bei Wells Fargo oder der Washington Post oder bei Goldman Sachs zugelangt, als die vorrübergehend in Schieflage geraten waren. Und Milliarden daran verdient…
@Tim: erstmal ein großes Lob für deine sehr aufschlussreichen Artikel! Was mir jedoch fehlt ist deine Einschätzung zur Asset Allokation. Immerhin soll diese den größeren Einfluss auf die Performance haben.
Für mich macht zunächst eine Aufteilung zwischen risikolosen Anlagen (Tagesgeld, Festgeld) und Investments mit Risiko Sinn. Derzeit ist mein Risikoanteil lediglich bei 25% (nur defensive Einzelaktien, auf >15 Positionen gestreut).
Jetzt aufzustocken bei den Kursen halte ich jedoch für fraglich.
Wie gehst du mit dem Thema um? Wartest du immer auf kleine Korrekturen, kaufst die leicht Gefallenen guten Aktien oder kaufst regelmäßig, unabhängig von den Kursen?
Hältst du es außerdem für richtig, nur in Aktien zu investieren?
Hallo Michael,
danke für den exzellenten Zusatz. Ja, Buffett meidet das Risiko.
Wenn Du aber George Soros anschaust, springt der mit vollem Eifer ins extreme Risiko. Kurz vor der Lehman-Pleite stieg Soros bei der Investmentbank ein. Soros hat wohl eine exzellente Streuung und kann solche Pleiten wegstecken. Als das Kaufhaus J.C. Penney kurz vor dem Aus stand, stieg Soros massiv ein. Er wettet knallhart. Wie im Kasino: Schwarz oder Rot. Und fährt damit erstaunlicherweise gut. Ich rate natürlich zur Vorsicht. Ich wollte Soros nur als Gegenargument bringen.
@ Dividendenfan
Ich habe alles in Aktien und Immobilien. Keine Anleihen. Ich besitze eine kleine Cashreserve. Ich kaufe im Grunde genommen regelmässig Aktien zu. Meine Aktien halte ich extrem langfristig (bis zur Rente). Das Timing fällt mir zugegebenermaßen sehr schwer bei Zukäufen. Ich habe die Geduld nicht, um ruhig auf einem Cashberg zu sitzen. Das ist keine perfekte Methode, aber solls? Jeder hat eine andere Mentalität und sollte das passende Vorgehen für sich selbst finden. Viele Wege führen nach Rom. Grüße Tim
@Tim: Das finde ich bemerkenswert, denn viele empfehlen zwar in Foren Dividendenaktien o.ä., investieren dann aber nur zum kleinen Teil. Da bist du konsequenter! :)
Würdest du denn die Aktienquote einmalig stark erhöhen oder dies bei den aktuellen Kursen über mehrere Monate verteilen?
Die Cashreserve halte ich auch für wichtig um bei Korrekturen nachzukaufen. Nur stellt sich mir da wieder die Frage, welche Cashreserve man noch haben sollte und wann man nachkaufen sollte.
Konkret Stelle ich mir folgendé Variante vor:
Anfang 60% Aktien (langweilige Dividendenaktien gestreut) / 40% Cash
Bei Korrektur des Aktienteils um -20%: Erhöhung der Aktienquote auf 80/20
Bei weiterer Korrektur auf insgesamt -40% Erhöhung auf 90/10
Ersparnisse und Dividenden fließen in den Cashteil, so dass dieser für neue Korrekturen verfügbar ist
Wenn Cashanteil > 40% wird zusätzliches Cash in Aktien investiert.
Damit liegt die Aktienquote immer zwischen 60%-90%
Was hältst du davon?
@ Dividendenfan
Ja, wenn Du damit zurecht kommst. Das sollte jeder machen, wie es der Mentalität entspricht.
Ich kaufe regelmässig Blue Chips: Meist quartalsweise bzw. einmal jährlich.
In einer Sache liegt Ibbotson total falsch: Buffetts Strategie funktioniert heute noch genau so wie eh und je….
Es ist ein Trugschluss und zeugt von Unkenntnis zu sagen, dass Buffetts Methode nicht mehr funktioniert.
So viele Value Investoren gibt es gar nicht. Sie stellen eine Minderheit dar…so viele ahmen ihn gar nicht nach..die meisten traden…
@fabian: Buffett hat seine Strategie schon etwas verändert z.B. mit der Zusammenarbeit mit 3G und mehr Fokus auf cost cutting. Mit den jetzigen Summen wird es immer schwerer so weiterzumachen wie bisher.
Ich denke ibbotson liegt richtig. Ich würde bei Problemen aber noch auf geringe Schulden achten damit die Firma auch die Schwächephase überlebt.
Fällt die Deutsche Bank auch unter die besagten Unternehmen?! Ich meine Probleme sind genügend vorhanden aber das Geschäftsmodell ist meine ich ebenso alt wie aktuell bzw. zukunftsfähig! Grüße
Ich denke, dass das Setzen auf Problemfälle eher den erfahrenen Investoren vorbehalten bleiben sollte und auch keinen allzu großen Anteil am Depotvermögen ausmachen sollte.
Klar ergeben sich prima Einstiegsmöglichkeiten, wenn eben etwas nicht mehr so rund läuft. Johnson&Johnson hatte vor einiger Zeit Qualitätsprobleme, da eröffneten sich gute Einstiegschancen.
Das Problem ist nur, dass man erkennen muss, ob es sich tatsächlich um ein vorübergehendes Problem handelt oder der Anfang vom Ende ist.
Selbt Warren Buffett lag mit Berkshire Hathaway falsch.
Gruß
ZaVodou
Ein gutes Unternehmen mit aktuellen Problemen ist meiner Meinung nach Philip Morris Int.
Produktionsverlagerungen in billigere Länder, Währunsschwannkungen in den Schwellenländern und die Restriktionen der EU, verbunden mit einem Absatzrückgang drücken dieses Jahr kräftig auf das Ergebnis.
Besonders zu beachten ist auch, dass der Verschuldungsgrad zur Zeit enorm hoch ist!
Es bleibt abzuwarten, wie PM mit den Problemen zurecht kommt.
Wer allerdings langfristig vom weltweit größten Tabakhersteller (nach China tobacco) überzeugt ist, dem bieten sich aktuell keine schlechten Einstiegskurse ;-)
Ich kann Dir Tim nur beipflichten, dass Aktien die Anleihen langfristig schlagen. Es gibt so viele qualitativ gute Dividenden Aristokraten, die Jahr für Jahr ihre Dividenden anheben. Einfach die Dividenden kontinuierlich reinvestieren mit der pers. Sparrate und dann entsteht da nach 10 Jahren ein toller Dividenden Cashflow!
ich kaufe keine Firmen mit Problemen.
ich habe diesen Monat Johnson & Johnson und Lockheed Martin nachgekauft.
ich arbeite ne 40-Stunden-Woche plus Fahrtzeiten. ich kann nicht noch soviel Zeit investieren um unterbewertete Perlen zu finden. Ich investiere in das, was ich gut finde.
umso mehr ich an Stratgeien bastle, umso mehr stelle ich fest, daß es nur 2 Möglichkeiten gibt an der Börse erfolgreich zu werden.
entweder Sparplan (Costaverageeffekt mit vorallem emotionalem Ausblenden wenn es an der Börse crasht, da man automatisch investiert) ODER
kaufen, wenn es an der Börse so richtig echt crasht. Hinweis: „nieder wieder Aktien“-Schlagzeilen, Crash, Gold als sicherer Hafen etc., „Raus aus dem Euro?“ etc….
als Basis würde ich einen soliden Index wie DowJones oder S&P 500 wählen. Einzelwerte ja. Aber Streuung… oder eben gleich den Index.
Aber ein Mittelding zum Reichwerden gibts ned, wie Knock-Out-Zertifikate, irgendwelche Stoploss, StopBuy-Strategien….
@ Christian
Nach fast 20 Jahren Börsenerfahrung mit allen Hochs und Tiefs sehe ich das genau so. Ich habe mit Einzeltiteln begonnen, dann Fonds hinzugenommen, Zertifikate ausprobiert, ETFs gekauft und verkauft. Parallel dazu habe ich mich, wie man das als Akademiker halt so macht, durch Regalmeter Finanzliteratur gearbeitet, lese täglich Blogs, wälze Geschäftsberichte, habe keine Buffett-Biographie ausgelassen usw. Das alles neben einen normalen Job.
Und, was soll ich sagen, es hat sich durchaus gelohnt. So allmählich tritt allerdings etwas Ernüchterung ein, weil ich merke, dass weniger meine Anstrengungen für das gute Ergebnis verantwortlich sind als vielmehr der fantastisch gelaufene Aktienmarkt. Entscheidend war, dass ich überhaupt breit investiert war. Deshalb werde ich in das Lager der Indexinvestierer wechseln und meine Freizeit stärker anderen Dingen widmen.
Meine Einzeltitel und meine Fonds, die ich vor Einführung der der Kapitalertragssteuer gekauft habe, behalte ich. Den letzten Anstoß dazu hat eine Studie der Uni Frankfurt von Prof. Hackethal ergeben, in der 3200 Depots von sogenannten Selbstentscheidern (als Anlegern wie wir) bei Online-Banken untersucht wurden, mit dem Ergebnis, dass 80 % der Selbstentscheider-Depots schlechter abschnitten als der DAX. Warum soll mich der Einzeltitelauswahl abquälen, den einen oder anderen Treffer landen, wenn ich schlussendlich doch noch nicht mal den Index schlagen kann?
Es wäre doch schön zu erfahren, warum so viele „Anleger“ schlechter abschneiden. Empfehle hierzu wie immer den Zweig.
Nach der Statistik schneiden ja auch 20% besser ab. Warum wohl? Was machen die anders? Nur Glück gehabt?
Auch ich bin bereit, in 5 Jahren Bilanz zu ziehen und ggf. auf Indizes zu setzen. Dann allerdings mit Bauchschmerzen, weil man eine Menge Müll mitkauft, nur um auf der sicheren Seite zu sein.
Momentan stehe ich nach ca. drei Jahren und rund 20 Titeln im Depot 5 Prozentpunkte vor dem MSCI World. Und das bei einer durchgängigen Cashquote von 10-15%.
Klare Erkenntnis: Billig gekaufte Titel – z. B. Disney und Berkshire im Sommer 2011 – pushen das Portfolio gehörig nach vorne. Da freue ich mich auf die nächsten 30 Jahre.
Gespannt bin ich auf die ersten Studien, die die jetzt noch recht frische ETF-Strategie der Privatanleger untersuchen. Vielleicht schneiden dort auch 80% schlechter ab als der Markt………..
Sebastian
Was meinst Du mit dem „Zweig“?
Jason Zweig und sein Buch „Gier. Neuroökonomie“. Kann ich jedem nur wärmstens empfehlen. Man erkennt sich – als Anfänger – überall wieder.
Hat mir sehr geholfen, mich unter Kontrolle zu bringen. Es wundert nicht, dass auch Zweig am Ende Indexfonds empfiehlt, um eben all den Fallstricken der Börse aus dem Weg zu gehen.
Na ja, ich bleibe bescheiden, mal sehen wie es in 5 Jahren steht.
Hallo zusammen,
Meiner Meinung nach ist Buy&Hold klar der beste Ansatz, welcher nie überholt wird.
Wenige Menschen haben die nötige Ruhe, Geduld, Bescheidenheit, Zeit….
Als Jugendliche sind wir Hitzköpfe welche die Erfahrung, der alten, weisen Leute nicht zu schätzen wissen.
Irgendwann lernt man von den Fehlern und dann wird die Zeit zu knapp…
Gut Ding will Weile haben…
Der Vorteil von langsamen, stetigem Vermögenszuwachs ist dass man sich als Mensch daran gewöhnt. Man wächst mit.
@Felix
irgendwie hatte ich die letzten Jahre immer die Hoffnung eine „coole“ Strategie zu finden. Aber habe keine gefunden.
Und wenn dann die Börse crashte (Blitzcrash im August 2011 z.B.) hatte ich kein Cash mehr, weil ich ja schon investiert war. Ich sah also den billigen Kursen zu, wie sie dann wieder rasch stiegen. Aber ohne mich.
Das Erfolgsrezept ist meiner Meinung nach echt die volle, fette, nervtötende Geduld zu haben bis es crasht. Auch hier findet man nicht den absoluten Tiefpunkt. Denn wars das? Gehts nun wieder hoch? Oder war es eine Zwischenerholung?
Damit man nicht ganz uninvestiert, lasse ich nebenbei einen Sparplan (Coastaveragegedöns) laufen auf einen Dividenenwert.
Ich kann mit meinen fast 20 Jahren Börsenerfahrung dem oben geschrieben nur beipflichten. Ich habe auch dutzende von Büchern, Biographien etc. durchgearbeitet. Die verschiedensten Strategien probiert und Lehrgeld bezahlt, dass einem davon schwindlig wird.
Das „schnell reich werden“ habe ich inzwischen an den Nagel gehängt. Mein Ziel ist eine vernünftige Zusatzrente zu erwirtschaften. Ich habe mir eine Liste mit Dauerdividendenzahlern, die jährlich die Dividende steigern, erarbeitet. Dabei die steuerlichen Aspekte berücksichtigt und weltweit gestreut. Langfristig möchte ich auf ca. 30 – 40 Titel kommen, die regelmäßig aufgestockt werden. Ziel ist, in 20 Jahren bei ca. 10% Dividendenrendite zu liegen, was durchaus realistisch ist. Dann ist mein Ruhestand gesichert. Buy & Hold funktioniert immer noch.
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