Über Jahrzehnte hinweg hatte die führende Investmentbank ein blitzsauberes Image. Heerscharen an PR-Strategen arbeiteten daran, den Ruf stetig zu verbessern. Die Öffentlichkeit glaubte, die smartesten und besten Leute der Welt arbeiteten bei Goldman. Es wurde die Botschaft transportiert, die Mitarbeiter hätten nur das Wohl der Kunden im Sinn. Sonst nichts.
Doch seit der Finanzkrise hat sich das Image gewandelt. Nun glaubt die Bevölkerung, dass die Goldmänner in erster Linie für sich selbst arbeiten – und nicht unbedingt zum Vorteil der Kunden. So schnell kann sich das Blatt wenden.
Interne Emails, in denen Kunden verhöhnt wurden, gelangten an die Öffentlichkeit. Der US-Senat erstellte eine umfassende Studie, in der etliche unangenehme Schriftwechsel zitiert werden. So verkauften die Banker wohlwissend den Kunden „Scheiß-Deals“ (Seiten 394, 554, 623 in dem Senats-PDF). Viele Produkte lösten sich nach kurzer Zeit in Luft auf, Kunden verloren teilweise alles.
Goldman war gewiss nicht die einzige Bank, bei der Kunden alles verloren. Auf dem Höhepunkt der Subprime-Krise war das gang und gäbe. Auch andere Emittenten gerieten in das Visier der Strafverfolger.
Goldman hat durchaus ein großes Rad mit umstrittenen Papieren gedreht. Aus dem Grund ist es erstaunlich, dass sich Goldman-Chef Lloyd Blankfein bis zum heutigen Tag an der Spitze halten konnte. Bei anderen Häusern wurde die Vorstandsspitze zügig ausgetauscht. Ich rechne daher mit dem baldigen Rücktritt von Blankfein. Anders kann ich mir einen Neuanfang kaum vorstellen. Blankfein hat durchaus Verdienste erbracht. Viele schätzen ihn, weil er sich für Kleinunternehmen oder Minderheiten in den USA stark macht. Auch förderte er Hillary Clinton.
Zuletzt geriet Goldman in die Schlagzeilen, als die Führungskraft Greg Smith in einem Gastbeitrag für die „New York Times“ über seinen Arbeitgeber vom Leder zog. Smith beklagte sich, dass sich seine Kollegen ständig über die Unwissenheit der Kunden lustig machten. Es ginge nur darum, die Kunden über den Tisch zu ziehen, jammerte Smith. Der Gastbeitrag schien mir zu einseitig zu sein. Smith ist ein Nestbeschmutzer, er kassierte jahrelang ein üppiges Gehalt. Natürlich möchte eine Bank Geld mit Kunden verdienen. Das ist ihr gutes Recht, ja geradezu ihre Pflicht. Kein Unternehmen kann auf Dauer überleben, wenn kein Geld verdient wird. Auch wer stetig gegen die Interessen seiner Kunden handelt, der verliert diese Kunden am Ende des Tages. Insofern passen all die Argumente von Smith nicht so recht zusammen.
Es schien, als hatte er eine Rechnung offen. In der Tat kam jetzt heraus, dass Smith an einem Buch arbeitet – der Rachefeldzug ist also nicht beendet. Er wird demnach weiter mit Schmutz werfen. Die Aufmerksamkeit wird Smith wohl nicht mehr lange haben. Denn wenn Goldmann es gelingen sollte, das Image zu verbessern, ist das ein alter Hut. Zumal die Sorgen der Menschen mit der konjunkturellen Erholung abnehmen. Nach vorne zu blicken ist jetzt die Devise. Wenn Goldman schlau ist, schafft es die Doppelspitze ein. Der Posten des Chairman und des CEO sollte nicht mehr in einer Person gebündelt sein. Mit einem solchen Schachzug könnte die Bank schnell ihren Kritikern den Wind aus den Segeln nehmen. Das erwarte ich jetzt.
Zwei Aspekte sind meiner Meinung nach aufzuarbeiten, die noch nicht wirklich thematisiert worden sind. Erstens fand ich es im Rückblick unfair, dass Ex-Goldman-Chef Hank Paulson Goldman-Sachs-Aktien im Wert von 500 Millionen Dollar steuerfrei verkaufen durfte. Er musste nicht 1 Cent Steuern für sein privates Aktienpaket bezahlen. Paulson hatte also rund 200 Millionen Dollar an Steuern gespart, nur weil er für drei Jahre Finanzminister wurde. Ist das fair? Ich meine: nein. Zumal er nebenbei gute Pensionen und Gehälter als Minister kassiert(e). Hinzu kommen etliche andere Vorteile.
Zweitens ist bedenklich, dass Goldman mit „Naked Short Selling“ unsauber gearbeitet hat. Wer das macht, verstößt gegen die Regularien der Börsenaufsicht SEC. Mit dieser illegalen Trading-Methode können meiner Meinung nach angeschlagene Firmen zusätzlich in Bedrängnis gebracht werden. Mit dieser Methode können womöglich Lehman Brothers oder Bear Stearns unter Druck gesetzt worden sein. Genaues ist nicht zu erfahren. Es ist zumindest in der Theorie möglich, eine Firma unter Zugzwang zu setzen. Es gab jede Menge Spekulationen in diese Richtung. Es handelt sich jedoch lediglich um Vermutungen und keinerlei Fakten! Schnell kann eine Verschwörungstheorie daraus entstehen. Vor wilden Mutmassungen ist grundsätzlich Vorsicht geboten.
Goldman musste für die umstrittene Handelsstrategie gewiss in einem anderen Zusammenhang schon eine Strafe an die Behörden bezahlen.
Offenbar hat Goldman dieses Werkzeug eingesetzt, sonst wären kaum diese Zahlungen erfolgt, um das Ermittlungsverfahren vorzeitig einzustellen. Aber ich glaube kaum, dass es möglich ist eine halbwegs gesunde Firma damit in die Pleite zu treiben. Es ist also mehr nötig!
Ein ehemaliger Goldman-Kunde, der Ex-Hedgefondsmanager Marc Cohodes, beklagte sich jetzt in der „New York Times“, dass er von Goldman regelrecht zerstört worden sei. Nicht nur habe Goldman seine legalen Kunden-Orders nicht ausgeführt, um Geld zu sparen. Die Bank habe auch, als es Spitz auf Knopf stand, den Untergang seines Fonds gezielt betrieben. Nach dem Zusammenbruch des Fonds ist Geldmanager Cohodes nun Landwirt geworden. Er muss jetzt Hühner füttern! Goldman bestreit die Vorwürfe. Kann Goldmann allein den Fonds in den Ruin getrieben haben? Wohl kaum, vermute ich! Ein gesunder Fonds geht nicht einfach unter.
Ich glaube, wir brauchen nach all den Erfahrungen eine bessere Regulierung. Das hilft allen. Goldman hat während der Weltwirtschaftskrise sicherlich Fehler gemacht. Daran bestehen wohl auch intern keinerlei Zweifel. Ich glaube, das Institut hat gelernt. Und arbeitet längst hart an Verbesserungen. Eine Bank zum Sündenbock für die gesamte Krise zu machen, ist nicht fair. Viele haben versagt, vergessen wir das nicht.
Gut möglich, dass Goldman gestärkt aus der Vertrauenskrise hervorgeht. Wenn Sie mich fragen, steht Goldman Sachs in 20 Jahren besser da als heute. Blicken wir nach vorne. Auf dem Parkett besteht die Kunst darin, in die Zukunft blicken zu können.
PS: Das Foto oben machte ich auf den Hamptons. Dort, wo die Schönen und Reichen aus Manhattan ihre Wochenenden verbringen. Etliche Goldmänner habe ich hier schon getroffen. Ist der Strand nicht wunderschön? Herrlicher weißer Sand so weit das Auge reicht.
Hier ein Artikel von Irving Kahn, einem Schüler von Benjamin Graham. Der Mann ist 107 Jahre alt, ich kann's kaum glauben:http://www.businessweek.com/articles/2012-04-12/how-to-play-the-market-irving-kahn
sorry, auf Goldman Sachs geht er darin nicht ein. Er empfiehlt jedoch die Gefühle an der Börse auszublenden, um sich vor Fehlern zu schützen.
Gruß Matthäus
Hallo,
Irving Kahn hat über 80 Jahre Erfahrung an der Börse! Allein die Vorstellung davon haut einen um.
Das Ausblenden der Gefühle an der Börse ist vollkommen richtig. Aber es gibt nicht viele, die das verwirk-lichen können.
Schönes Wochenende
@ Matthäus!
@ Anna!
Ja, danke für den Link. Das sind spannende Aussagen. Ich finde es verdammt wichtig, langfristig an der Börse zu denken. Und zwar nicht ein, zwei oder drei Jahre nach vorne zu blicken, sondern 20 oder 30 Jahre.
Ich gebe zu, dass es verdammt schwierig ist. Es kann in einem Arbeits- bzw. Familienleben immer etwas Unvorhergesehenes passieren, etwa Arbeitslosigkeit, Umzug oder Krankheit! Solche Einschnitte können so einen Langfrist-Plan in der Tat durcheinander wirbeln.
Ein schönes Wochenende
Tim
PS: Ich werde einen neuen Blog schreiben zum Thema “Aktien bis zur Rente”.
Hallo Tim+Anna+Co.,
dieser Tage wurde das Gehalt von Blankfein veröffentlicht: http://www.bloomberg.com/news/2012-04-13/goldman-sachs-cuts-blankfein-s-pay-to-12-4-million-for-2011.html
12,4 Mio. US-$ nach 19,1 Mio im Jahr zuvor. Ein Rückgang von ca. 35%, ziemlich stark.
Noch heftiger vielen die Gehalteinbußen bei den Obamas aus. Knapp 800.000 US-$ meldeten sie dem Finanzamt, nach 1,7 Mio im Jahr zuvor und stolzen 5,5 Mio in 2009.
Das sind doch deutliche Rückgänge, wobei Barack Obama seine Einnahmeausfälle noch durch Bücherverkäufe ausglich. Naja nicht wirklich, denn 800.000 von 5,5 Mio. sind gerade mal 15% davon.
Schönes Wochenende.
Matthäus
Tim, ich freu mich auf den neuen Blog.
Hi Matthäus,
insgesamt werden die Gehälter an der Wall Street zurück gehen. Diese absurden Gehälter lassen sich einfach nicht mehr rechtfertigen.
Beste Grüße Tim
Hi Tim,
stimmt. Es kann gut sein, dass die Gehälter an der WallStreet zurückgehen.
Anders in der sog. Realwirtschaft, wie man am 17 Mio € Gehalt von Winterkorn sieht. Wenn Unternehmen erfolgreich sind, dann ist es gut möglich, dass solche Gehälter auch in Zukunft gezahlt werden.
Letzten Endes ist es Sache des Aufsichtsrats solche Gehälter durchzuwinken, im Zusammenspiel mit den Aktionären auf der HV.
Gruß
@ Matthäus,
das Problem mit dem Aufsichtsrat ist oft: Dort sitzen die besten Freunde des Vorstands. Die nicken gerne Rekordgehälter ab. Es ist ein Geben und Nehmen.
Der Aufsichtsrat sollte nicht vergessen: Es ist das Geld der Aktionäre. Und nicht das Geld des Managements, das hier ausgegeben wird.
Vor allem finde ich unter den kleinen Gesellschaften groteske Fälle. Wenn eine Firma sagen wir 3 Millionen Euro netto verdient und fast 1 Million an den Vorstandschef bezahlt, ist das zuviel des Guten.
Beste Grüße
Tim
Hallo Matthäus, hallo Tim,
das Problem ist gerade bei VW folgendes: Die Stämme sind aus dem DAX geflogen wegen zu geringem Freefloat. Man hat nur als Besitzer der Stammaktie was zu sagen (brauch ich Euch ja nicht zu sagen). Im DAX sind jetzt die Vorzugsaktien. Der Vorzug ist für die AG folgender: Das Geld haben wir, zu sagen habt ihr nichts. Böse gesagt, deshalb Vorzugsaktien. Die paar Cent mehr Dividende reißens nicht raus.
Besetzung des AR mit den alten Freunden oder in Rente gegangenen Vorständen ist üblich, deshalb meist eine Herrenriege. Sind einige Frauen im AR, dann bestätigen sie die Regel.
In den skandinavischen Staaten gehts doch auch. Selbst im Mutterland des Kapitalismus. Dupont wird z. B. von Ellen Kullmann geleitet.
Das sind meine Gedanken dazu.
Übrigens, VW-Aktien habe ich noch nie ggehabt, aber seit einigen Jahren welche von Dupont.
Viele Grüße
Anna
Hi Anna,
die Trennung in Vorzüge und Stämme halte ich auch nicht für ideal. Jeder Aktionär sollte die gleichen Rechte haben. Sonst ist das unfair. Vorzüge sollten in Stämme umgewandelt werden. SAP hat das zum Beispiel gemacht. Das ist vorbildlich, finde ich.
Mit Blick auf den Aufsichtsrat: Hier sollte nicht die Familie oder Freunde Platz nehmen, sondern erfahrene Fachleute, Wissenschaftler, Praktiker. Frauen sind in der Tat selten in den obersten Etagen zu finden. Hier besteht Nachholpotential. Da stimmen wir überein.