Wer ein erfolgreicher Value Investor sein möchte, muss anders als die Masse handeln. Das fällt uns allerdings verdammt schwer. Es ist immer einfacher das zu tun, was alle tun.
Im Endeffekt sind jene Aktienkäufe erfolgsversprechend, wenn wir uns richtig unwohl damit fühlen. Selbstzweifel sind eigentlich Kaufargumente.
In den Jahren 1997 bis 1999 rannte die Börse wie verrückt nach oben. Große Staatsfirmen kamen auf das Börsenparkett, kleine Klitschen, wertlose Website-Betreiber. Sie alle hatten irre Preisschilder auf der Verpackung kleben. Keiner störte sich daran. Die Menschen zeichneten seinerzeit Neuemissionen wie verrückt. Sie handelten wie in einem Rausch. Neugründungen mit unerfahrenen Managern waren über Nacht Milliardensummen wert.
Wie einfach war es damals, mitzumachen bei den Neuemissionen? Es war kinderleicht. Die Menschen fühlten sich pudelwohl.
Genauso ging es zu, als der Immobilienmarkt in den USA boomte, der vor sechs Jahren seinen Gipfelpunkt erreicht hatte. In den U-Bahnen klebten Werbetafeln, die einem glaubhaft machten, wie schnell man mit einer Wohnung oder einem Haus einen enormen Reichtum aufbauen kann. Der Hauskauf auf Pump war ein Kinderspiel. Ich kann mich noch gut an die Werbebotschaften erinnern. Wenn Kredite im Spiel sind, wird es meistens sehr gefährlich. Verzichten Sie daher am besten auf Kredite.
Hart ist es in solchen euphorischen Phasen gegen den Strom zu schwimmen. Es ist nicht einfach, einen Bogen um ein Eigenheim zu machen, wenn alle Verwandten und Bekannten eins haben. Man fühlt sich schnell als Sonderling (das sind Value Investoren).
Die besten Investoren sind geniale Psycho-Analytiker, die in die Seelen der Meute hineinschauen können. Ein hoher IQ ist nicht nötig. Auch muss man kein Mathegenie sein, um erfolgreich an der Börse zu sein.
Denken Sie an Hedgefondsguru John Paulson, der auf dem Höhepunkt der Immobilienblase auf den Crash des Häusermarktes wettete und Milliarden damit verdiente. Er tat das Gegenteil von dem, was die Masse machte.
Als der Aktienmarkt wegen der Finanzkrise crashte und 2009 den Tiefpunkt markierte, wer griff schon damals zu? Ganz wenige.
Fühlen wir uns mit einer Investmententscheidungen sicher, fühlen wir uns damit pudelwohl, ist es wohl der falsche Zeitpunkt und das falsche Papier. Zur Zeit fühlt sich jeder mit Cash, Staatsanleihen, Riester-Renten usw. wohl. Konträr dazu verhalten sich die Renditen mit diesen Investments in der Zukunft.
Gewöhnen Sie sich an Crachs, Booms und Seitwärtsphasen. Das ist die Börse. Das ist der Alltag.
Was lernen wir daraus? Vielleicht ist es ratsam, sich darauf zu konzentrieren, große Fehler zu vermeiden. All die Zeit zu verschwenden, die nächste tolle Investmentchance zu finden, führt nicht notgedrungen zum Ziel. Eher ist das Gegenteil der Fall. Spannend klingende Unternehmenskonzepte gehen häufig schief. Die meisten Tüftler scheitern.
Am besten schneidet man auf lange Sicht mit Hausmannskost ab, mit Zahnpasta, Cremes, Waschmittel, Öl, Keksen, Bier usw.
Meiden Sie Angeber. Am besten sind jene Finanzprofis, die offen über ihre Fehler sprechen. Warren Buffett ist zum Beispiel einer, der sich nicht toll ankleidet, der nicht angibt, der mit beiden Füssen auf dem Boden steht. Er hat weder einen Professorentitel noch hat er den Wirtschaftsnobelpreis gewonnen (er hätte ihn wohl verdient).
Menschen mit Doktortiteln und den feinsten maßgeschneiderten Anzügen sind meistens gar nicht mal so reich, wie es scheint. Im Endeffekt sagt die Position nichts aus.
Einerseits gibt es gut bezahlte Fondsmanager, die seit Jahrzehnten im Job sind, die plötzlich versagen. Grandios versagen. Und verbrannte Erde hinterlassen. Vor nichts ist man sicher.
Andererseits gibt es jene, die jahrelang die größten Versager sind und auf einmal den Dreh raus haben, von einem Erfolg zum nächsten stürmen. Wie oft hier Glück eine Rolle spielt? Keine Ahnung, vermutlich häufiger, als wir uns ausmalen können.
Vergessen Sie es, Krisen oder Boomphasen timen zu wollen. Das kann niemand. Wer hätte geahnt, dass der Erste Weltkrieg ausbricht, als ein Attentat auf den österreichisch-ungarischen Thronfolger Franz Ferdinand am 28. Juni 1914 in Sarajewo verübt worden ist? Erstens kommt es anders, zweitens als man denkt.
Lohnt es sich einen Finanzexperten zu fragen? Mhhhmmm. Das ist so eine Sache. Die meisten Berater denken in erster Linie an sich, an ihre Provisionen. Ist kann das denen nicht verübeln. Nein, keinesfalls. Ich würde, wenn ich in deren Haut stecken würde, wohl genauso handeln.
Schützen Sie Ihr Geld, indem Sie in langweilige Aktien investieren. Bleiben Sie Jahrzehnte an Bord, kassieren Sie die Dividende.
So können Sie Ihr Vermögen vor der schleichenden Inflation schützen. Die Geldentwertung ist ein alltägliches Phänomen. Wer Lebensversicherungen kauft, wer Bargeld hortet, der mag sich zwar sicher fühlen. Das ist aber nur eine Phantasiewelt.
Vergessen Sie all den Rest. Versuchen Sie nicht ständig, einen neuen Grund zu finden, warum eine Aktie an einem bestimmten Tag um den Prozentsatz x nach oben oder unten marschiert. Es gibt hierfür nie logische Gründe. Schauen Sie dem wilden Auf und Ab an der Börse aus der Ferne einfach zu. Und lassen Sie sich nicht verrückt machen.
Fazit: Je langweiliger und langfristiger Ihre Strategie ausgerichtet ist, desto besser.
Wer sich pudelwohl mit seiner Aktie fühlt, ist in Gefahr
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Hallo Tim,
ich glaube nicht, dass Warren Buffett einen Nobelpreis verdient hat. Er befolgt ja nur jenes, was er bei Graham gelernt hat. Darin sieht er die Wahrheit und lebt diese konsequent weiter. Der Erfolg gibt ihm recht. Alle anderen Börsianer können es ihm gleich tun. Sie brauchen auch nur „das Buch“ von Graham lesen, sich daran halten und die Zeit für sich arbeiten zu lassen.
In Deutschland waren die Gebrüder Albrecht mit ihrem Aldi Prinzip erfolgreich. Jeder hätte es in den Anfängen kopieren können und wäre damit reich geworden. Es war jeden Tag anzuschauen, indem man die Läden besuchte. Irgendwann haben es die „Lidl & Co“ verstanden dieses zu kopieren und weiter zu verfeinern. Somit sind sie zurzeit erfolgreicher als die Aldi Gruppe.
Seinen Finanzberater fragen lehnt selbst Buffett ab. Da könne man auch einen Friseur nach einer neuen Frisur fragen. Also sollte man sich selber Gedanken machen. Zugegeben, es ist nicht immer leicht. Vor allem wenn man gegen den Strom schwimmt und in Zeiten indem andere alles richtig machen, zumindest dem Anschein nach. Es bleibt weiter spannend.
Mario
Moin Tim,
das mit dem „richtig unwohl fühlen“ als positivem Indikator für antizyklisches Investieren würde ich so nicht unterschreiben wollen. Ich muss schon von meinem Investment überzeugt sein, sonst gehe ich es nicht ein. Und wenn mein Bauchgefühl mir abrät und ich mich dabei unwohl fühle, dann investiere ich nicht. Denn da ich langfristig anlege, will ich mich damit doch nicht jahrelang belasten, dann halte ich das nicht durch und steige vielleicht frühzeitig aus – und dann hätte ich es gleich bleiben lassen sollen.
Richtig ist, dass man nicht mit der Herde laufen sollte, nur weil die Herde in eine Richtung stürmt. Komme ich zu der Ansicht, die Herde ist auf dem richtigen Weg, kann ich mich anschließen, kein Problem. Wenn sie meines Erachtens übertreibt oder ganz auf dem Holzweg ist, kann ich mich anders positionieren. Aber dazu brauche ich kein schlechtes Gefühl, sondern ich muss überzeugt sein, (als einziger) richtig zu liegen. Und das Unwohlsein, das alleine aus dieser Lage resultiert, das stecke ich weg. Weil ich ja von meiner Ansicht überzeugt bin, weil ich mir die Fakten angesehen habe und die Fakten für mich und meine Position sprechen. Und wenn die Börse erst mal noch weiterläuft, obwohl die Fakten bereits anders aussehen, dann kann ich das aussitzen, weil die Börse eben zu Übertreibungen neigt und nicht immer rational ist. Die Kurse ignorieren Fakten zwar gerne mal, aber nicht auf Dauer.
Andererseits sollte man anschließend, wenn einem der Markt zustimmt und man sich sehr gut fühlt, weil man genau richtig gelegen hat, sich nicht in Selbstgefälligkeit suhlen. Denn auch dieser Trend wird irgendwann drehen und man darf den Absprung nicht verpassen, nur weil man sein Ego noch länger gestreichelt sehen möchte. Denn wie John Maynard Keynes sagte: „Wenn sich die Fakten ändern, ändere ich meine Meinung“.
Unwohl fühlen oder nicht – ist bei einem Investement irrelevant.
Hauptsache ist, das die Sicherheitsmarge stimmt.
Ich denke, das bei Value Investement die meisten Aktien nach dem Kauf meistenes weiter fallen und das tut weh. Dabei stimme ich Kostolnay zu der einmal meinte das“an der Börse verdientes Geld, Schmerzens Geld ist“.
Für Mario:
Value Investment nach Graham:
kein Unterschied zwischen normalen und Franchise Unternehmen.
Er kaufte unerbewertet Aktien, wenn Sie nach 2 Jahren nicht gestiegen waren, verkaufte er Sie. Wenn Sie 50% gestiegen waren verkaufte er sie auch.
Value Investment nach Buffet:
Unterschied zwischen normalen und Franchise Unternehmen……
Ich fühle mich mit dem Gesamtmarkt gerade sehr unwohl, daher werde ich erst mal nicht neu investieren.
Liege ich falsch wars wenigstens ich alleine der schuld war. Ich glaube daß die Jahresendrally (an die viele glauben) heuer ausfällt und bis sich die Herren in Amerika nicht auf die Vermeidung des “ fiscal cliff“ geeinigt haben gibts Qualität bestimmt dieses Jahr noch billiger.
Gefühle für die Stimmung an den Börsen,das Karma des Marktes ist für mich wenigstens nicht unwichtig.
Frank
@ Mario
Was ich mit dem Nobelpreis für Buffett ausdrücken möchte: Es gibt so viele Professoren, die gewinnen einen tollen Preis, sind aber nicht in der Lage, ihre Theorien in Geld umzuwandeln.
Viele Theorien funktionieren nur auf dem Papier.
Ich denke, es ist ein großer Unterschied zwischen der Theorie und der Praxis. Manchmal besteht mehr Schein als Sein in der Wissenschaft.
Bei dem Hedgefonds Long Term Capital Management (LTCM) arbeiteten einige Nobelpeisträger an einem angeblich tollen Model. Der Fonds ging pleite. Es endete mit einem fürchterlichen Schlag.
VG
Der Wirtschaftsnobelpreis hat keinen guten Ruf, weil ständig Keynesianer den Preis bekommen, die für ihre abartigen Theorien und Vorschläge immer wieder Zuhörer finden.
Dabei zeigt doch die Erfahrung von Jahrzehnten angwandter Konjunkturstimulation, dass Keynesianismus falsch ist. Ein jüngeres Beispiel ist die Abwrackprämie. Alle Warnungen der Kritiker haben sich bewahrheitet: Der Gebrauchtwagenmarkt darbt nun dahin, die Werkstätten haben weniger Aufträge, Neuwagen werden auch weniger gekauft, schließlich wurde erst vor wenigen Jahren ein neues Auto gekauft.
Man sollte auf dem Wikipedia-Artikel über diesen Preis die Kritik Hayeks lesen. Sie trifft voll in Schwarze. Denn immer, wenn mal wieder keynesianistische Rezepte probiert werden, wird gerne mit dem „Nobelpreisträger Stiglitz“ argumentiert. Oma Erna, die sich abends die Talkshow ansieht, die wird damit „überzeugt“.
@Turing
Extreme (Markt)Theorien sind per se quatsch, weil sie die Realität niemals abbilden können oder eben nur in ganz extremen Situationen. Weder die Marktradikalen haben Recht noch die Staatsinterventionsfanatiker. Aber John Maynard Keynes…
Zugegeben, ich war früher auch ein entschiedener Gegner seiner Theorien, aber auch nur, weil ich sie nicht richtig verstanden bzw. nicht in den richtigen Kontext gesetzt habe. Eine seiner wichtigsten Aussagen war: „Wenn sich die Fakten ändern, ändere ich meine Meinung“. Und dass er heute immer auf einige wenige Kernthesen beschnitten wird, die er zur Bewältigung der Weltwirtschaftskrise (und nur dafür!) entwickelt hat, wird diesem großen Wirtschaftswissenschaftler nicht gerecht.
Seine (jetzt vereinfache ich mal ganz stark) These ist: geht es der Wirtschaft schlecht, muss der Staat durch künstliche Nachfrage Impulse setzen. Geht es der Wirtschaft wieder besser, muss die Stimulanz durch den Staat enden und in guten Jahren müssen Rücklagen gebildet werden, um diese dann in den schlechten Jahren einsetzen zu können.
Und das ist genau richtig! Allerdings hat keiner der heutigen Krisenstaaten in den letzten 50 Jahren wirklich in guten Jahren Rücklagen gebildet. Selbst Deutschland, das 2012 mit 600 Mrd. EUR die höchsten Staatseinnahmen aller Zeiten erzielt, macht immer noch zusätzliche neue Schulden! Die Politiker nehmen in guten Zeiten nur weniger neue Schulden auf als in schlechten, wo sie die öffentlichen Haushalte voll gegen die Wand fahren. Das ist aber nicht die Schuld von Keynes noch ein Fehler in seiner Theorie. Wenn eine Theorie nicht richtig oder nur halbherzig umgesetzt wird, liegt der Fehler in der Praxis.
Zur Abwrackprämie: die war ein voller Erfolg (und auch der habe ich damals kritisch gegenüber gestanden)! Denn die deutschen Autobauer haben in der schwersten Krise (deutsches BIP – 5,4%) ihre Lager räumen und das Geld in neue Modelle sowie neue Investitionen im Ausland (China, Indien) stecken können, während die übrigen Autobauer ums Überleben kämpften. Und deshalb (ich wage zu behaupten NUR deshalb) stecken die deutschen Autobauer die Krise jetzt so souverän weg und bauen ihre Marktanteile noch weiter aus (Opel ist ein Sonderfall, die hässliche GM-Tochter ist seit 20 Jahren dem Untergang geweiht). Aber alle anderen fahren Rekordergebnisse ein, auch wenn die Luft spürbar dünner wird. Keiner will aber wohl mit Fiat oder PSA tauschen, die kurz vor dem Exitus stehen.
Nochmal: jetzt, in der Krise (in der EU, nicht Deutschland), muss der Staat die Nachfrage ankurbeln. Der Fehler liegt darin, dass in den guten Jahren keine Rücklagen gebildet wurden, sondern dass dies nur über eine noch größere Verschuldung erfolgen kann. Und gleichzeitig ist – anders als 2008/2009 – die Krise inzwischen zu einer Staatsschuldenkrise ausgeufert, weil die Staaten selbst ihre Defizite bis über die Grenze des Erträglichen (und Finanzierbaren) hochgeschraubt haben. Daher müssten die Staaten eigentlich gerade selbst sparen – ein Teufelskreis.
Und wenn nach der Krise von den Politikern nicht endlich dazu übergegangen wird, solide zu haushalten (in guten Jahren Geld für schlechte zurücklegen), dann wird die nächste Krise nicht lange auf sich warten lassen und vermutlich noch schlimmer werden.
Übrigens: Keynes war ein ausgewiesener Börsenprofi, das unterscheidet ihn von vielen der heutigen „Trockenschwimmer“, die Wirtschaft nur aus ihren Büchern kennen…
Dem Einwand von Michael ist nichts hinzuzufügen, Wirtschaftswissenschaftler die an der Börse erfolgreich sind, liefern damit die besten Argumente für ihre eigenen Thesen.
Frank
@Herr Kissig
Ich halte nichts von nachfrageorientierter Politik, denn sie sieht so aus:
Unterstützen wir die Papiermühlen im Lande und machen nicht nur drei Durchschläge, sondern vier!
Wogegen ich nichts habe, ist, wenn man Investitionen vorzieht. Also anstatt in einem Jahr eine Umgehungsstraße zu bauen, fängt man heute schon an, denn wenn die Konjunktur erstmal wieder angesprungen ist und mehr LKWs auf den Straßen fahren, ist die Umgehungsstraße goldwert. Aber sonst finanziert die Politik nur Blödsinn.
Ich bin überzeugter Liberaler und Marktwirtschaftler. Meine Überzeugung basiert auf einem soliden aufklärerischen Fundament: Ich weiß, dass ich nichts weiß. Ich weiß, dass ich nur begrenztes Wissen habe und gute Entscheidungen nur in einem überschaubaren Gebiet treffen kann. Ich würde mich nicht anmaßen, einer ganzen Volkswirtschaft die Richtung vorzugeben.
Da haben mehr als 50 % von ca. 700 Leuten die Entscheidung gefällt: Die Deutschen sollen Autos kaufen und ihre alten Autos verschrotten. Autos! Keine Bücher, keine Fahrräder, keine Aktien, sondern Autos. Außerdem wurden viele noch funktionsfähige Autos mit einem Restwert von über 2500 € der Schrottpresse zugeführt, was eine Vernichtung von Vermögen darstellte.
Wenn eine Volkswirtschaft schrumpft, sollte man nicht wild dagegen ansteuern, sondern hinnehmen und schauen, dass während dieser Zeit niemand verhungert oder erfriert. Was muss also getan werden: Ziel der Politik sollte es sein, die Individuen der Gesellschaft so stark zu machen, dass sie von sich aus solche Krisen überstehen können, sodass für die armen Schlucker, die bei in der Krise ihren Job am Fließband verloren haben, umso mehr Geld von staatlicher Seite da ist.
Wie schafft man das? Indem man die Menschen über Finanzen aufklärt und nicht zu Riester treibt. Indem man den Menschen Freiräume lässt: Also anstatt hohe Steuern zu kassieren, um einen Teil davon wieder als Riesterprämie auszuschütten, sollte man gar nicht erst so hohe Steuern erheben und auch keine Riesterprämien verteilen.
Die Privatwirtschaft reagiert auf Krisen so, wie es auch der Staat tun sollte. Die Unternehmen prüfen, wo Einsparpotential liegt. Und nicht nur in Krisen passiert das, sondern ständig, weil die Unternehmen Konkurrenz haben und auch ihre eigenen Krisen durchlaufen, unabhängig von der gesamtwirtschaftlichen Lage.
Ich kann nur mal ein Beispiel nennen: Wir haben in unserer Firma eine Software entwickelt, das
– eine alte Software ersetzt (Nutzwert der alten Software war viel geringer, aber personalintensiver)
– die Nutzung eines ähnlichen Fremdproduktes ist heute der Ausnahmefall. Das Fremdprodukt hatte immense Kosten verursacht an Lizenzen, an Beraterkosten usw.
– das Kerngeschäft kann dank der neuen Software schneller und besser bewältigt werden.
– mittlerweile selbst verkauft wird. Ursprünglich war es für die interne Nutzung bestimmt.
Bei der Politik sehe ich aber keinen Veränderungswillen. Die Mehrheit der Politiker kennt nur ein Lösung: Steuererhöhung. Es ist kein bisschen Selbstkritik vorhanden. Ein Unternehmen in der Krise kann doch auch nicht einfach die Preise erhöhen.
Effizienzreserven gibt's beim Staat eine Menge. Beispiele:
1. Man könnte die Umsatzsteuer vereinheitlichen, also weg mit dem ermäßigten Satz und Senkung des regulären Satzes.
2. Das Kindergeld könnte man abschaffen und im Gegenzug die Steuern senken. Es gibt nur einen ganz schmalen Korridor von Leute, die tatsächlich vom Kindergeld profitieren. Für die Reichen ist es lächerlich, für Gutverdiener ist es ein Nullsummenspiel und Hartz-IV-Empfängern wird das Kindergeld auf Hartz IV angerechnet. Schafft man das Kindergeld ab, könnte man Millionen von Akten verbrennen.
Bei Politiker reicht nicht der einzelne Schuss gegen den Bug. So viel Ignoranz und Selbstgewissheit findet man nur in diesem Milieu.
Griechenland und Italien mehrere Schüssen vor den Bug gebraucht, um endlich zu handeln. Geradezu pragmatisch schneiden Politiker im Vergleich zu Gewerkschaftsfunktioniären ab. Wir stecken in einer großen Staatsschuldenkrise und die hetzen die Leute auf und sorgen dafür, dass die Krise noch schlimmer wird. Die Kosten für Generalstreiks sind immens.
@Turing
Zwischen den Theorien von Keynes und der sozialen Marktwirtschaft gibt es nur dann einen Winderspruch, wenn man ihn unbedingt finden will. Ich habe es ja zuvor schon ausgeführt.
Ich möchte nochmal auf Deine weiteren Ausführungen zur Abwrackprämie zurück kommen, denn da springst Du zu kurz. Der Effekt, der mit dieser Subvention erzielt wurde, ist doch ein ganz anderer: die Arbeitsplätze wurden erhalten, anders als in den anderen Ländern wurden die Facharbeiter in der Autombilindusrtie und den tausenden von Zulieferbertieben nicht vor die Tür gesetzt. Ergänzend gab es das Kurzarbeitergeld, einen (staatlichen) Zuschuss des Arbeitsamtes, wenn Menschen nicht entlassen wurden. Auch diese Maßnahme hat sich sehr bewährt. Ich weiß das u.a. deshalb, weil ich seit vielen Jahren im Vorstand unserer Wirtschaftsvereinigung aktiv bin und wir damals mit den Unternehmern und dem Arbeitsamt diese Dinge diskutiert und zwei Jahre später nochmals erörtert haben. 2009 herrschte überwiegend Skepsis, 2011 Zufriedenheit bzgl. der beiden Maßnahmen.
Den Staat haben beide Maßnahmen Geld gekostet. Das finden Marktradikale schlecht. Und ich bin da auch immer skeptisch und halte nichts vom Gießkannenprinzip seitens des Staates. Subventionen unterstütze ich nur dann, wenn sie maßnahmenbezogen und kurzfristiger Natur sind, z.B. als Anschubsubventionen. Sobald es auf eine Dauersubvention hinausläuft, richtet diese mehr Schaden an als Nutzen. Aber die Abwrackprämie hatte den Effekt, dass den einmaligen Kosten der Nutzen gegenüberstand, nicht Hundertausende Arbeitslose finanzieren zu müssen, deren Beiträge zur Sozialversicherung dann auch noch zusätzlich fehlen. Den positive Effekt für die Unternehmen (Verkauf alter Modelle, stärkere Investitionsfähigkeit für neue Modelle) habe ich ja bereits ausgeführt. Und der volkswirtschaftliche Schaden wäre deutlich größer gewesen, wenn nicht die alten Schrottwagen mit ein paar tausend Euro Restwert (wenn überhaupt) abgängig gewesen, sondern die Neuwagen auf Halde mit 30% Wertverlust in den Markt gedrückt worden wären. Das wäre der x-fache volkswirtschaftliche Schaden gewesen.
Und dann kann man noch die eingesparten CO2-Emissionen anführen, denn die Verschrottung der Uraltwagen und Austausch gegen Neuwagen hat diese Emmissionen deutlich gesenkt. Und das kommt nicht nur der Umwelt zugute, sondern auch der Volkswirtschaft. Denn die Wälder, die davon profitieren, sind auch Teil der Volkswirtschaft und auch die Schäden an den Gebäuden durch die schädlichen Abgase (die bestehen ja nicht nur aus C02) sind volkswirtschaftlich abzubilden.
Unter dem Strich waren diese beiden Kurzzeitmaßnahmen Spitzenentscheidungen! Denn sie haben die richtigen Impulse gesetzt zur richtigen Zeit und sie waren von Anfang an befristet. Sie haben Deutschland bzw. der deutschen Industrie einen erheblichen Wettbewerbsvorteil ggü. der ausländischen Konkurrenz beschert – und wir profitieren heute noch davon, wenn wir uns die relativ niedrigen Arbeitslosenzahlen ansehen und die deutlich gesunkenen Beiträge zur Sozialversicherung (Rentenvers., Arbeitslosenvers.). Allerdings konnten wir Deutsche uns diese Maßnahmen auch leisten. Die meisten anderen Staaten können sowas jetzt eben nicht. Und deshalb profitiert Deutschland schon wieder, denn wir haben uns in eine Position der (wirtschaftlichen) Stärke gebracht.
Einig sind wir uns, wenn wir über den Unsinn von Kohlesubventionen oder Weftendauersubventionen sprechen oder das Betreuungsgeld, diesen Irrsinn. Sowas biegt mir die Fußnägel hoch (denn ich bin auch überzeugter Anhänger der Marktwirtshaft). Und über die merkwürdigen Auswüchse beim niedrigeren Umsatzsteuersatz haben wir auch keinen Dissenz. Der gehört abgeschafft und dann die Mehrwertsteuer auf alles gesenkt. Die würde dann etwa bei 15 oder 16 Prozent liegen. Allerdings würden dann Bücher teurer und Autos billiger, was wohl einen Aufschrei der Empörung von links geben würde…
Bzgl. des Kindergelds würde ich ein Abschaffen befürworten, wenn parallel dazu dann der Kinderfreibetrag entsprechend erhöht würde. Wer Steuern zahlt, profitiert dann von Kindern. Alle anderen nicht. Erzieht zur Steuererklärungsabgabe.
@ Michael
Danke für Deine exzellenten Ausführungen. Ich stimme Dir wie immer in vielen Punkten zu.
Was ich mich frage: All die schlauen Finanzprofessoren mit Schwerpunkt Börse müssten doch rein theoretisch Multimillionäre sein. Sie sind es aber meiner Erfahrung nach nicht. Da stimmt also etwas mit der Theorie und der Praxis nicht überein. Wie siehst Du das?
@Tim
Die meisten befassen sich ja mit volkswirtschaftlichen Problemen/Situationen und oftmals geht es hauptsächlich um Mathematik. Das sind dann letztendlich Anwendungen für staatliche Institutionen oder Großbanken oder auch die anderen Wirtschaftsforscher; meist alles ohne oder mit wenig praxisbezug. Aber Value Investing blendet die Volkswirtschaft ja weitgehend aus und reduziert sich auf reine BWL in einem einzigen Unternehmen. Sicher, die globale Wirtschaft und der Markt im allgemeinen stecken die Rahmenbedingungen, die auch auf das einzelne Unternehmen (erhebliche) Auswirkungen haben, aber als Investor muss ich ja nicht den Job des Vorstands machen. Ich muss „nur“ Leute finden, die in der Vergangenheit mit den unternehmerischen Unwägbarkeiten besser umgegangen sind als die anderen und ich muss den Eindruck gewinnen, dass dies nicht nur reines Glück war, sondern sie auch künftig wohl mehr richtig als falsch machen werden. Das und eine attraktive Bewertung des Unternehmens sind entsheidend, nicht die Makroökonomie. Denn auch im besten wirtschaftlichen Umfeld wird es Firmen/Leute geben, die alles in den Sand setzen.
Oscar Wilde sagte einmal: „Es ist leichter über Geld zu schreiben, als Geld zu machen“. Und ich meine, dass diese Aussage ebenso auf die Wirtschaft bzw. das Unternehmertum zutrifft.
@alle
Ich bin ein großer Fan Angela Merkels und damit auch ihrer Maßnahmen!Und zwar ua wegen solchen Aktionen.
Merkel handelt meines Erachtens nach einer ganz einfachen Devise, nämlich: Ich muss einfach alles genau anders herum machen, als es deutsche (aber nicht nur) Politiker im 20. Jahrhundert gemacht haben und dadurch den 1. WK, den 2.WK und eine 40-jährige deutsch-deutsche Teilung zu verantworten haben.
Die unfassbar große Anzahl an Kritikern und Gegnern die sie hat, zeigt, dass sie eine klassische Contrarian-Anhänger ist und gegen den Strom schwimmt!
In Detailfragen kann man die Bundeskanzlerin, die Bundesregierung und den ganzen politischen Berliner Betrieb durchaus kritisieren, was hier in diesem Thema beim Thema „Aktiensparen“ auch passiert. Nichtsdestotrotz stimmt die Gesamtrichtung bzw. die Einstellung/Mentalität.
Gruß Matthäus
Ich bin natürlich auch froh, dass wir Merkel und eine schwarz-gelbe Regierung haben. Aber Merkel mit FDP ist schlichtweg das geringste Übel, ansonsten bin ich eher enttäuscht von ihr, weil sie den Wohlfahrtsstaat nicht beschneidet, sondern ausbaut. Weil sie Seehofer jeden Narrenfreiheit gewährt, anstatt ihn so abzuservieren, wie sie es mit – leider – mit Merz gemacht hat.
Leider hat sie sich auch von den Medien beeinflussen lassen. Der „Professor aus Heidelberg“ wurde schnell fallen gelassen, als es 2005 nicht für schwarz-gelb reichte. Der Ausstieg aus der Kernenergie war Populismus pur. Und von Sarkozy hat sie sich auch einlullen lassen.
Wenn ich mir dann aber vorstelle, sie würde noch mit der SPD regieren oder Rot-Grün wäre an der Macht, dann bin ich froh, dass wir Merkel und eine schwarz-gelbe Regierung haben.
@ Matthäus
@ Turing
Merkel, Schäuble und die FDP haben beim Thema Altersvorsorge durch Aktien-Depots versagt. Übrigens auch Rot-Grün. Sie haben uns Aktionäre geschröpft. Keine andere Asset-Klasse wird derart mit Steuern und Gebühren belastet (Dividenden, Kursgewinne, Quellensteuer, Soli …)
Die Aktie ist die beste Form der Altersvorsorge. Das hat Berlin nicht begriffen. Woran das liegt? Beamte, die fette Pensionen kassieren und für Gastreden ein paar 10.000 Euro einstreichen brauchen sich um die dürre gesetzliche Rente keine Sorgen zu machen.
Zudem nehmen einige von ihnen Schwarzgelder an. Wolfgang Schäuble, Helmut Kohl, Jürgen Möllemann, Walther Leisler Kiep…. Andere nehmen „schmierige“ Jobs wie Gerhard Schröder an. Ach ja, ich habe den König von Deutschland vergessen: Christian Wilhelm Walter Wulff, der Typ aus dem Schloss.
Auf einmal ist Gerhard Schröder meiner Einschätzung nach Multi-Millionär. Das war er nicht, als er Kanzler wurde. Das ist schon komisch, wo all das Geld herkommt.
@Tim
Da hast du auch wieder recht!
Wenn man alles auf den Tisch legt, ist „plötzlich“ doch nicht alles heiter-sonnenschein-mäßig.
Als Schröder seinen Freund Putin als lupenreinen Demokraten bezeichnet hat, dachte er vllt. schon an seinen (ihm bereits versprochenen?) Job als Aufsichtsratsvorsitzenden bei Nord Stream.
Die anderen von dir erwähnten machten ebenfalls windige Geschäfte.
P.S.: Ich bin übrigens kein Mitglied irgendeiner Partei, auch kein Gewerkschaftsmitglied, schau mir das ganze Treiben von der Seitenlinie aus an…
Gruß
Nachtrag: Natürlich wurde es versäumt, die Aktionärskuktur in Deutschland zu stärken. Hier hat die Merkelsche Regierung komplett versagt. Man stelle sich, rein hypothetisch, vor es gäbe in Deutschland eine starke Affinität zum Aktienkauf und Aktiensparen: Wie vielen (zusätzlichen) Leuten wäre die kommende Strompreiserhöhing, nur als Bsp., vollkommen schnuppe? – Ganz einfach – einer ganzen Menge!
Statt dessen begnügen sich Millionen Sparer mit mickrigen Zinsen und Erträgen ihrer Lebensversicherungen.
Gleichzeitig ist die Beruhigung/Besänftigung/Stabilität der Finanzmärkte auf den Gipfeltreffen ständig TOP 1.
Diejenigen, die Aktien erst ab 2009 kauften, sie jedoch langfristig halten möchten, womöglich bis zum Lebensabend, werden geschröpft.
Das zeigt nur eines: Es gibt kein in sich schlüssiges Gesamtkonzept zum Umgang mit den Finanzmärkten, ihren Chancen und Risiken.
@Matthäus Piksa
Das ist kein Versäumnis der Regirung(en) Merkel, sondern bereits davor hat keine der Budnesregierungen es geschafft, die Deutschen zu Aktieninvestoren zu machen. Deshalb driftet die Arm-Reich-Schere bei uns ja auch so stark auseinander, weil Immobilien und Aktien massiv an Wert zulegen, während Arbeitseinkommen stagnieren. Und die Reichen haben eben das Vermögen, weil sich Otto Normalverbraucher keine Aktien ins Depot legt. Ein kurzes Aufflackern gab es unter Gerhard Schröder, aber nachdem man Telekom und Post unters Volk gebracht hatte und bei den UMTS-Lizenzversteigerungen 50 Mrd. EUR eingenommen hatte, durften die Kleinanleger die zeche zahlen. Das hat die Aktienkultur in Deutschland massiv beschädigt.
Dass Gewinne aus Aktien (Dividenden und Kursgewinne) versteuert werden müssen, steht für mich außer Frage. Warum sollte es da eine Vorzugsbehandlung ggü. anderen Einkunftsarten geben? Es darf aber im Gegenzug auch keine Schlechterstellung geben. Aus meiner Sicht sollten alle Einkünfte gleich behandelt werden, egal aus welcher Quelle sie stammen. Und dann nur einen einmaligen Freibetrag pro Person, mehr nicht. Keine Abzüge mehr für Instandhaltung bei fremdvermietetn Gebäuden usw., alles muss versteuert werden. Auch Erbschaften sollten hier als Einkommen gewertet werden (meinetwegen mit einem einmaligen zusätzlichen Freibetrag, sooo oft erbt man ja nicht). Dadurch würde sich die Steuerbasis erheblich vergrößern und so könnte man den (Einkommen-)Steuersatz für alle senken. Damit würde auch die Benachteiligung von Arbeitseinkommen ggü. den anderen Einkunftsarten enden.
@Michael C. Kissig
Ja, ich weiß, dass die Börsengänge der Post und der Telekom Flops waren. Ich war damals selbst Aktionär beider Gesellschaften und hab wohl ca. 20-30% verloren. Damit bin ich sogar noch gut weggekommen.
50 Mrd.€ für die UMTS-Lizenzen zeigt, dass die Euphorie damals selbst die Verhandlungsführer der Telekommunikationsgesellschaften erfasste.
@ Michael
stimmt, gut erklärt mit den Professoren und dem Geld.
Danke für das Zitat von Oscar Wilde. Der war selbst bettelarm, hatte glaube ich ein paar reiche Damen, die seine Literatur mochten und ihn finanziell unterstützten.