The New York Times: Desaströse Zahlen, Sparkurs

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Ich sah mir kürzlich im New Yorker Grand Hyatt Hotel eine Präsentation der New York Times an. Die Vorstandschefin Janet Robinson und der Finanzvorstand Jim Follo des Zeitungsgiganten erläuterten Investoren und Analysten die Strategie. Wir befinden uns in einer Medienkrise. Die Menschen beziehen immer seltener Zeitungen. Stattdessen wächst das Interesse an Internetangeboten. Langfristig verlieren Printtitel. „Wir wenden uns stärker dem Internet zu. In der digitalen Welt gibt es jedoch ein geringeres Anzeigengeschäft als im Printbereich. Diese Übergangszeit ist eine Herausforderung“, gab die New-York-Times-Chefin Robinson unumwunden zu. So bietet die Times im Internet die gesamte Printausgabe kostenlos an. Eine Zeitlang war das Angebot kostenpflichtig, nun ist alles gratis. Sie können im Web die Print-Ausgaben der letzten beiden Wochen einsehen.
Die erste Ausgabe der New York Times erschien 1851. Mittlerweile ist eine der einflussreichsten und größten Zeitungen der Welt herangewachsen. 98 Pulitzer-Preise gewann die Redaktion – so viele wie kein anderes Medium. Das Blatt wird als die „graue Lady“ bezeichnet, weil es eine Bleiwüste ist. Viele, viele Seiten. Es handelt sich um eine sehr liberale, politisch eher linke Redaktion. Täglich gehen rund eine Million Stücke in der Metropolregion über den Tresen. Die Sonntagsausgabe wird sogar 1,4 Millionen Mal verkauft. Zum Portfolio zählen 18 weitere Blätter wie etwa International Herald Tribune oder The Boston Globe. Eines der größten Probleme des Sektors ist das sinkende Anzeigenaufkommen, besonders die Konjunkturkrise macht sich bemerkbar. Ob Autohersteller, Restaurantketten oder Einzelhändler – sie reduzieren ihre Werbebudgets. Im dritten Quartal sanken bei der New York Times die Anzeigenerlöse um 15,9 Prozent. Für das Gesamtjahr 2009 sehen Experten ein Minus von 15 Prozent. Das Dilemma: Mit den Kostenkürzungen und dem Abbau von Redakteuren kommt das Management kaum den schrumpfenden Einnahmen nach. Finanzchef Follo erläuterte, dass die Zusammenlegung von Druckzentren 30 Millionen Dollar jährlich einspart. Schließung von Verkaufsstellen im Einzelhandel soll weitere 30 Millionen beisteuern. Die Reduzierung des Seitenumfangs und die Einstellung von Beilagen sowie Spezialthemenseiten tragen 21 Millionen Dollar bei. Die Betriebsrenten wurden um 18 Millionen Dollar gekürzt. Zwölf Prozent der Belegschaft setzte das Blatt in zwei Jahren vor die Türe. Mit dem geplanten Verkauf des neuen New Yorker Hauptgebäudes an der Achten Avenue in Midtown will Follo die brisante Verschuldung (eine Milliarde Dollar) teilweise reduzieren.
Am 20. November meldete die Times bereits, die Dividende um 74 Prozent einzudampfen. Zwar gehen Börsianer auf Distanz. Innerhalb von fünf Jahren rutschte das Papier von 50 auf 6,41 Dollar. Der Börsenwert beträgt nur noch lausige 921 Millionen Dollar. Dem steht ein Umsatz von rund drei Milliarden Dollar gegenüber. Jedoch sinken die Gewinne, sie sind mickrig. Im dritten Quartal lief gar ein Verlust von 106 Millionen Dollar auf. Um die Kosten langfristig in den Griff zu kriegen, erwägt man sogar die gedruckte Ausgabe ganz abzuschaffen. Zwar klettert der Umsatz im Web um zehn Prozent. Doch aus dem Netz stammen erst zwölf Prozent des Umsatzes. Viel zu wenig. Im Internet lässt sich auch nicht wirklich Geld verdienen. Die Konkurrenz ist zu groß. Es gibt praktisch keine Barrieren. Jede Sekunde entsteht irgendwo auf der Welt ein neuer Blog. Der Content explodiert. Kaum jemand ist im Web bereit, Geld zu bezahlen. Zumal im Internet nach wie vor eher junge Menschen dominieren. Schüler und Studenten haben bekanntlich weniger Geld in der Tasche. Zugegeben ist das Zeitungshaus derzeit ein Sanierungsfall. Jedoch kann das Management mit Kostenkürzungen gegensteuern. Die Marke ist wertvoll. Mit einer cleveren Strategie kann der Konzern überleben. Carlos Slim, einer der reichsten Menschen der Erde, erwarb im September ein Aktienpaket von über sechs Prozent. Ehrlich gesagt bin ich etwas skeptisch bezüglich des Turnarounds. Aber der Kurs ist derart abgeschmiert, dass ich gegen den Strom schwimme. Mutigen setzen auf den Turnaround. Der Kurs sitzt wirklich tief im Keller.

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