Sieben Schritte gegen die Selbstüberschätzung

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Eine der größten Gefahren für Börsianer ist die Overconfidence – zu deutsch die Selbstüberschätzung. Der Mensch neigt dazu, felsenfest zu glauben, richtig zu liegen. Ganz stark ausgeprägt muss dieses Gefühl bei Daytradern sein.
Nicht nur Privatanleger, auch Profis werden von einem übermässigen Vertrauen in die eigene Leistung erfasst. In einer Studie aus dem Jahr 2006 mit dem Titel „Behaving Badly“ gaben 74 Prozent von insgesamt 300 befragten Fondsmanager an, überdurchschnittlich abzuschneiden. Die restlichen 26 Prozent meinten mehrheitlich, durchschnittlich abzuschneiden. Das kann ja im Endeffekt nicht sein. Es ist eine unrealistische Selbsteinschätzung. Wenn alle mindestens genauso oder besser als der Markt abschneiden, kann das statistisch nicht möglich sein. Es muss Verlierer geben. Keiner der Profis sieht sich aber als Verlierer. Schon komisch.
Gravierend wird die Selbstüberschätzung bei Spielern, wenn sie einen guten Lauf haben. Dann wird im Gehirn ein tolles Gefühl freigesetzt. Es ist so, als ob jemand gerade Kokain eingenommen hat. Es ist wie im Rauschzustand.
In Boommärkten ist dieses Rauschgefühl natürlich gefährlich. Es gibt genug Menschen, die schon Kredite auf das Wertpapierdepot aufgenommen haben und anschließend einen Großteil ihres Vermögens verzockt haben. Eines Tages endet jede Glückssträhne. Das ist sehr gefährlich.
Übrigens das Graffiti oben in der Illustration (die Pokerrunde) habe ich in Toronto auf einem Garagentor entdeckt.
Es gibt zu dem Phänomen der Selbstüberschätzung hunderte wissenschaftliche Arbeiten. In diesem PDF sind ein paar wichtige Arbeiten aufgeführt.
Es wurden schon Pferdewetten untersucht. Kurz, nachdem die Spieler ihre Wette abgaben, waren sie 100 Prozent sicher, dass sie auf das richtige Pferd gesetzt hatten. Selbstzweifel Fehlanzeige. Das Ego ist enorm.
Wissenschaftler vermuten, der Mensch neigt zu diesen tollen Gefühlen, um sich vor schlechten Gedanken zu schützen. Es ist einfach ein Schutzmechanismus.
Der Vize-Chef von Berkshire Hathaway, Charlie Munger, hat sich mit den Untersuchungen zu den Pferdewetten umfassend beschäftigt. Das hat er mir in einem Gespräch gesagt. Die beiden Wissenschaftler Robert Knox und James Inkster untersuchten 1968 die Spieler bei Pferderennen. Munger ist ein Fan dieser Untersuchung.
Wissenschaftler Brehm hat sich 1956 mit Kaufentscheidungen von Menschen und mit dem Einfluss auf die anschließenden Gedanken auseinandergesetzt.
Um all diese Probleme zu reduzieren, sollten Sie folgende sieben Schritte befolgen:
Erstens: Indexfonds liefern langfristig starke Renditen
Für die meisten Anleger macht es keinen Sinn, Aktien selbst auszuwählen und zu verwalten. Die Mehrheit der Anleger schneidet schlechter als der Markt als Ganzes ab. Wenn schon 70 bis 80 Prozent der Fondsmanager es nicht schaffen, besser als die Benchmark abzuschneiden, wie sollen es dann Privatanleger schaffen? Es gehört viel Disziplin dazu. Sie müssen sich gut an der Börse auskennen, um besser als der Markt zu sein. Insofern rate ich den meisten, günstige Indexfonds zu kaufen.
Der Gründer der Fondsgesellschaft Vanguard, John Bogle, hat sich in zahlreichen Büchern kritisch mit aktiven Fondsmanagern auseinandergesetzt. Bogle rät dringend, Indexfonds zu kaufen und keinesfalls auf Fondsmanager zu setzen (sie sind zu teuer und versagen zu oft). Auch rät Bogle davon ab, selbst zu versuchen, den Markt zu schlagen. Er hat handfeste Argumente. All seine Bücher sind extrem erhellend. Ich bin ein riesiger Fan von ihm geworden. Er schreibt seine Bücher sehr rebellisch, sehr klar, sehr logisch aufbauend. Er ist ein Kritiker der Finanzbranche. Ihm sind die extrem hohen Gebühren ein Dorn im Auge, die in den Finanzprodukten stecken. Ich empfehle Ihnen diese zwei Bücher von Bogle:
Keine Investment-Zauberformel. Börsengewinne mit gesundem Menschenverstand
Und dieses:
Was wirklich zählt: für mich, mein Konto, meinen Job
Zweitens: Standardwerte haben Vorzüge
Nur wenn Sie sich wirklich die Zeit nehmen wollen und sich umfassend informieren möchten, rate ich zur aktiven Auswahl von Aktien auf eigene Faust. Um nicht zu hohe Risiken einzugehen, sollten Sie das Fundament Ihres Depots aus Standardwerten bilden. Im S&P-500, Dow Jones, DAX oder ATX finden Sie jede Menge exzellente Unternehmen. Je älter und größer die Konzerne sind, desto sicherer sind sie in der Regel. Zu einhundert Prozent sind Sie nie vor einer Pleite geschützt. Aber kerngesunde Konzerne mit keinen oder geringen Schulden reduzieren die Risiken.
Drittens: Agieren Sie langfristig
Natürlich ist es wichtig langfristig zu investieren. Vermeiden Sie unnötige Transaktionen, vermeiden Sie ständiges Umschichten. Blogger Matthäus Piksa wies freundlicherweise auf eine neue Studie über den Vorteil von „Buy and Hold“ hin.
Viertens: Stimmen Sie sich mit anderen ab
In Extremsituationen (Crash, Boom) neigen Menschen zu emotionalen Entscheidungen, die sie hinterher bereuen. Insofern ist es wichtig, stets kühlen Kopf zu bewahren. Stimmen Sie sich vor jeder Transaktion mit einer Person Ihres Vertrauens ab. Besprechen Sie Ihre Strategie. Warren Buffett spricht intensiv mit Charlie Munger und seinen beiden Investmentmanagern vor wichtigen Transaktionen. Seine beiden Investmentmanager diskutieren sehr lange miteinander. Je mehr Sie Ideen abstimmen, desto eher können Sie womöglich Fehler vermeiden.
Fünftens: Vorsicht vor Verlustrealisierung
Ich würde persönlich auf Stop-Loss-Orders verzichten. Ich gebe zu, dieses Instrument kann seine Vorteile haben. Aber denken Sie doch mal nach: Angenommen, Sie kaufen Exxon Mobil. Nun bricht die Aktie in den kommenden Monaten um 20 Prozent ein. Warum sollten Sie jetzt den Verlust realisieren? Es wäre Unsinn, wenn Sie Geduld haben. Wer Qualitätsfirmen kauft, der sollte vorübergehende schlechte Kursverläufe einfach aussitzen. Oft ist es so, dass nach einem Absturz die Aktie einen unglaublichen Lauf bekommt. Ich habe schon häufiger einen Verlust von 20 oder 25 Prozent realisiert. Es war wie verflixt. Nachdem ich raus war, lief die Aktie wie am Schnürchen ins Plus. Ich hatte mich geärgert, weil ich ohne Grund auf einem Verlust saß. Ich habe zu dem Thema der Verlustrealisierung ein kleines Youtube-Video aufgenommen.
Mit den nervösen Märkten beziehungsweise mit der hohen Volatilität ist der Markt auf kurze Sicht unberechenbar geworden. Der Flash Crash im Frühjahr 2010 hat uns gezeigt: Als Anleger wird man schnell aus dem Markt rausgekegelt, wenn man nervös ist. Danach ging es schnell wieder mit den Kursen rauf. Alle Börsencrashs waren im Rückblick herrliche Kaufgelegenheiten und keine Verkaufschancen.
Sechstens: Ein wenig Cash ist King
Halten Sie ein kleines Cashpolster. Das beruhigt ungemein. Es macht Sie handlungsfähig, wenn die Kurse beben. Es ist manchmal im Leben wichtig, eine Notreserve zu haben. Man weiß nie. Klar, die Zinsen sind nahezu bei Null Prozent. Insofern wirft das Cash keine Rendite ab. Aber dieses Geld gibt Ihnen ein Gefühl der Stärke. Es reduziert Ihre Nervosität an der Börse.
Siebtens: Streuen Sie
Ich würde nicht alle Eier in ein Nest legen. Streuen Sie verschiedene Branchen und Länder in Ihrem Depot. Denken Sie über einen Indexfonds nach, eventuell als Zusatz. Denken Sie über eine kleine Rohstoffbeimischung ebenso nach.
PS: Auf New York rollt angeblich ein Jahrhundert-Sturm mit dem Namen “Sandy” zu. Ich bin mal gespannt. Sie raten, genügend Lebensmittelvorräte zu beschaffen, Batterien, Wasser usw. Hoffentlich werden wir hier nicht evakuiert und es ist alles halb so schlimm.

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11 Jahre zuvor

Selbstüberschätzung sprich “ich bin schlauer als der Markt” ist eine ganz gefährliche Sache. Manche sammeln hier haufenweise Firmen ein, die am Ende sind und glauben da an irgendwelche Patentversteigerungen oder sonst etwas. Die wenigsten der AKiten, die am Ende sind stehen wieder auf. Langfristig fährt man damit nicht sehr gut.

Persönlich kaufe ich nur FIrmen, die finanziel solide sind. Die wegen irgendwelcher Sonderbelastungen oder äußerere Einflüsse temporär schlechte Zeiten haben aber langfristig dennoch nicht pleite gehen. Will nicht wissen wieviel Geld in den letzten Jahren mit Nokia verzoggt wurde.

Wer sich diese Mühe nicht machen will oder einfahc keine Zeit hat sich genauer mit Firmen und den Kennzahlen und Entwicklungen dahinter auseinander zu setzten sollte auf Tim setzten und auf ganze Indizes setzten, damit kann man sehr langfristig auch nicht falsch liegen.

Mario
11 Jahre zuvor

Dem Einzigen der von einem Stopp-Loss profitiert ist der Staat. Hier wird nämlich noch die Abgeltungssteuer wirksam. Daher sollte man sich genau überlegen, ob man dieses Instrument einsetzt. Hinterher möchte ich ja wieder investieren und habe dann noch einmal Ordergebühren. Wie schon oft gesagt, „Hin und her, macht nur die Taschen leer“.

Im Übrigen war der Buchtipp „So schaffen Sie Vermögen“ ein sehr weiter empfehlenswerter Tipp. Es ist schön zu lesen und man bekommt viele neue Ideen und Sichtweisen. Danke noch einmal.

Schönes WE
Mario

11 Jahre zuvor

Absolut einverstanden mit diesem Post. Fast alle die versuchen über kurzfristige Transaktionen (day-trading o.ä.) werden dabei verlieren, das gebieten schon die Transaktionskosten in diesem Bereich. Es ist natürlich wie eigentlich immer und überall, wenn potentiell viel Geld zu verdienen ist, ist die Konkurrenz groß und es braucht spezielle Kompetenzen, um erfolgreich zu sein. Wovon ich überzeugt bin ist, dass es möglich ist über relativ einfaches antizyklisches investieren in breit gestreute Indizes eine recht hohe Kapitalrendite bei verhältnismäßig niedrigem Risiko zu erzielen. Der Grund dafür ist grundsätzliche Risikoaversion der Anleger, die in Rezessionen aufgrund von negativer Berichterstattung und erzwungenen Verkäufen gehebelter Marktteilnehmer (Banken, Hedgefonds, Investmentfonds) noch ausgeprägter ist. Hier sind noch ein paar interessante Graphen und Infos zu der Hypothese: http://makrointelligenz.blogspot.de/2012/10/wohin-mit-dem-geld-investitionsmoglichk.html

Anna
11 Jahre zuvor

“Die Börse lehrt Demut” so oder so ähnlich hat das mal einer gesagt, ich glaube es war Peter E. Huber. Recht hat er.
Übrigens, Tim, ich werde einen Teil Berkshire verkaufen… Der gute Warren zahlt doch keine Dividende, aber mir sind aber in meiner heutigen Situation Dividenden lieber. Also werde ich mich in den “Bestandteilen” von Berkshire umschauen. Coca-Cola, J+J und MüRü habe ich schon.

Schönes Winterwochenende (heute 10 cm Schnee)
wünscht
Anna

11 Jahre zuvor

Selbstüberschätzung gibt es ja nicht nur an der Börse, sondern in fast jedem Lebensbereich. Die meisten Menschen, die offiziell zur Schicht der Armen gehören, sehen sich selbst als (untere) Mittelschicht. Das liegt vermutlich auch daran, dass das Eingeständnis, zu den Verlieren, zu den Hinteren, zu den Schlechteren zu gehören automatisch die Frage aufwirft, was man dagegen unternimmt bzw. warum man denn nichts dagegen tut. Und diese Frage ist unangenehm, weil die Antwort meistens ist, dass man sich mit der Situation einfach arrangiert hat. Der Mensch ist eben ein Gewohnheitstier.

Akzeptiert man nun aber, dass Menschen zur Selbstüberschätzung neigen, sollte das an der Börse für denjenigen, der selbst in Aktien investieren möchte, zu der Konsequenz führen, dass er große, solide Unternehmen auswählt mit attraktiver Bewertung und nachhaltiger Dividendenausschüttung – und er sollte diese Aktien dann langfristig in seinem Depot “vergraben” und nicht mehr anfassen.

Diese beiden Punkte sind meines Erachtens die entscheidenden. Denn damit liegt man auch hinsichtlich der Steuern und des Zinseszinseffekts auf der sicheren Seite.

Mehr dazu…

11 Jahre zuvor

@ Ulrich,
oh ja Nokia ist so eine heiße Frage: Schaffen die es oder nicht? Was meinst Du?

@ Mario
Ein Profiteur von Stop-Loss-Orders ist die Bank. So bleibt das Depot in Bewegung. Je aktiver das Depot ist, desto besser für die Bank.

@ Makrointelligenz
Guter Punkt. Da stimme ich zu. Antizyklisches Investieren in Indizes macht Sinn.

@ Anna
Die Berkshire würde ich nicht verkaufen. Aber das musst Du wissen. Die Alternativen klingen gleichwohl spannend.

@ Michael
Bei der Strategie sind wir uns einig. Oder eben als Alternative: Indexing.

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