Kürzlich traf ich John E. Luth in seinem New Yorker Büro. Ich interviewte den weltweit führenden Unternehmensberater für die Luftfahrtindustrie. Bei Continental in Houston/Texas verdiente er seine Sporen als Finanzvorstand. Er gründete 1995 die Unternehmensberatung Seabury in Manhattan. In wenigen Jahren entstand ein Imperium.
Sieben der zehn größten Transaktionen begleitete sein Haus. Etwa als Air Canada 900, US Airways 865 und Northwest 750 Millionen Dollar einsammelten. Heute beschäftigt die Seabury Group 125 Mitarbeiter. Allesamt Veteranen aus der Flugzeug- und Investmentbranche. Luths erster Klient war sein vorheriger Arbeitgeber Continental. Er glaubte seinerzeit felsenfest an die Sanierung und deckte sich bis an die Halskrause mit Aktienoptionen ein. Die Wette ging auf. Er machte Millionen. „Wir starteten im Januar und schlossen im November 1995 die Sanierung ab. In dem Jahr war Continental der beste Performer an der New York Stock Exchange. Ich kaufte für drei Dollar und verkaufte für 36 Dollar.“
Nun befindet sich die Branche in einem Wandel. Zahllose Fusionen bahnen sich an.
Luth sieht die US-Fluglinien so stark wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Ich fasse im folgenden zusammen, was der Manager mir sagte.
Die europäischen Fluggesellschaften sind viel stärker im Vergleich zu den amerikanischen. Grund: In den USA war der Wettbewerb viel härter. In Deutschland zum Beispiel haben wir einen bedeutenden Anbieter mit der Lufthansa gehabt. In den USA kämpfen etwa fünf gleich große Konkurrenten um die Gunst der Kunden. Gewiß ist der Markt größer in Nordamerika, aber dafür umso umkämpfter. Zudem hatten wir in Europa eine Konsolidierung gesehen, sprich zahllose Übernahmen und Zusammenschlüsse. Das hat sich in den USA hingezogen. In den zurückliegenden zehn bis 15 Jahren gab es nur eine Fusion: Vor zwei Jahren schlossen sich US Airways und America West zusammen.
Delta hat nun Verhandlungen aufgenommen und prüft, ob mit United Airlines oder Northwest ein Zusammenschluss Sinn macht. Aber ein Deal zieht sich hin.
Es stellt sich die Frage, ob die Airlines nach einer Fusion wirklich effizienter arbeiten.
Luth sagte mir, die Größe ist sehr wichtig. Je größer, desto besser!
Die Lufthansa beteiligte sich an dem US-Billigflieger JetBlue mit einem Fünftel. Offiziell haben die Frankfurter gesagt, dass es sich dabei lediglich um ein Investment handelt. Luth geht aber davon aus, dass es mehr ist.
Könnten Europäer in den USA also komplette Übernahmen stemmen? Nein, die Flugrechte basieren auf der Nationalität. Die Europäer können zwar substantielle Anteile kaufen, aber sie können nicht die Mehrheit aufgrund der bestehenden Gesetzgebung an US-Airlines erwerben.
Viele US-Linien haben Konkurs beantragt. Aus Sicht eines Aktionärs eine grauenvolle Vorstellung. US Airways, Northwest, Delta und United Airlines sind nun wesentlich wettbewerbsfähiger nach der sogenannten Chapter-11-Insolvenz. Es handelt sich wohl um eine Art Befreiungsschlag.
Weltweit wächst die Branche. Es hängt von der weltweiten Zunahme des Bruttosozialproduktes ab. In Indien beispielsweise legte der Sektor in den vergangenen fünf Jahren um mehr als 25 Prozent pro Jahr zu. Und das Inlandsprodukt wuchs zwischen acht und zehn Prozent. In den USA ist es nahezu identisch mit dem Bruttoinlandsprodukt.
Die US-Airlines sind wesentlich stärker als noch vor einigen Jahren. Das durchschnittliche Barvermögen in der Bilanz beträgt über 25 Prozent der Umsätze. Was fast dreimal so hoch ist als noch vor zehn Jahren. Die Reserven brauchen sie angesichts des begrenzten Zugangs zum Kreditmarkt. Das ist mit dem Zusammenbruch der Banken nötiger denn je geworden.
Wie dem auch sei, ich sehe derzeit keine amerikanische Airline am Himmel, bei der ein Investment Sinn machen würde. Fliegen Sie lieber in den Urlaub!