Ich besuchte Leon Cooperman in seinem Büro in Manhattan. Für die „€uro am Sonntag“ führte ich ein Interview. Sie sehen meinen Schnappschuss. Sein Hedgefonds „Omega Advisors“ setzt im Kern auf das Value Investing.
In seinem Portfolio finden Sie in erster Linie Aktien mit günstigen KGVs inklusive schönen Dividendenrenditen. Es handelt sich hauptsächlich um stabile Traditionsfirmen. Hier sind ein paar Depot-Werte im Kurzüberblick.
Der Lebenslauf des Milliardärs ist knuffig: Cooperman wuchs in der Bronx in armen Verhältnissen auf. Sein Vater war Klempner. Er studierte am städtischen Hunter College in New York, seinen Ökonomie-Abschluss machte er an der renommierten Columbia Business School. Einen Tag, nachdem er das MBA-Zeugnis in der Tasche hielt, heuerte er bei Goldman Sachs an. Während seiner 25-jähigen Karriere für die Investmentbank stieg er zum Partner auf, wurde Verwaltungsratsvorsitzender der Vermögensverwaltung. 1991 gründete er den Hedgefonds Omega Advisors. General Electric ist sein Großkunde.
Ich plauderte mit Cooperman am frühen Morgen in seinem Office recht lange, auch sein Geschäftspartner nahm sich Zeit. Es ist echt beeindruckend, mit welcher Energie dieser Mann arbeitet. Er jetet um die Welt. An einem Tag weilt er in Russland, am nächsten Tag spricht schon auf einer Konferenz in New York. Er verwaltet die Fondsmittel erfolgreich. Jedenfalls hat er die Milliardenvermögen von Großkonzernen unter seinen Fittichen.
Der 69-jährige befindet sich auf der Reichstenliste von „Forbes“ mit einem geschätzten Vermögen von 2,2 Milliarden Dollar.
Als er für Goldman arbeitete, war er ein „echter“ Partner. Seinerzeit gehörten den Partnern die Bank, sie hafteten mit ihrem Privatvermögen. Wenn Goldman pleite gegangen wäre, wären die Partner auch bis auf den letzen Cent pleite gegangen.
Heute ist das anders. Seit dem Börsengang im Jahr 1999 gehört Goldman den Aktionären. Die Partner gibt es noch, doch haften die nicht mehr mit ihrem Privatvermögen. Ferner gehört den Partnern nicht mehr die Bank.
Dieser brutale Schnitt hat die traditionsreiche Institut verändert. Heute geht Goldman mehr Risiken ein. Ein Großteil der Gewinne stammt aus dem Trading. Vor dem Börsengang lagen die Gewichte anders. Brot- und Buttergeschäft waren ehemals die M&A-Transaktionen, die damit verbundenen Beratungen und das Asset Management.
Ich halte Goldman nach wie vor für ein großartiges Unternehmen – mit all seinen Stärken und Schwächen. Vor allem wegen seiner Schwächen mag ich Goldman: Denn die Probleme drücken die Aktie weit unter Buchwert (18 Prozent unter dem Eigenkapital notiert das Papier). Der Vater des Value Investings, Ben Graham, mochte Aktien mit einem kernigen Discount zum Buchwert.
Wenn alles perfekt laufen würde, gäbe es ja kein Besserungspotential. Krisen sind im Endeffekt gut für Schnäppchenjäger. Je mehr ich mir das Image-Problem anschaue, desto mehr mag ich den Konzern. Hinzu kommt diese unglaublich lange Tradition. Gründung 1869.
PS: Ich besitze keine Goldman-Aktien.
Neulich stand ein guter Gastkommentar von Blankfein im HB. Er ging auf die Bereiche Schulden, Steuern, Energie etc. ein und sprach, fast staatsmännisch, davon, dass sich Demokraten und Republikaner versöhnen müssen, damit schnell die Probleme des Landes angepackt werden können.
(Einen Online-Link gibt es nicht.)
Hallo Tim,
war das mit der langen Tradition nicht auch bei Lehmann-Brather so und trotzdem sind sie von der Bildfläche verschwunden.
Über Goldman-Sachs gibt es ja die wildesten Verschwörungstheorien. Sicherlich wird das meiste falsch sein. Ob jedoch alles frei erfunden ist, darf bezweifelt werden. Der Begriff des „ehrbaren Kaufmanns“ (hier „Bankers“) sieht wohl anders aus.
Was mich stutzig macht, ist die Tatsache, dass Warren Buffett einen Bogen um die Wallstreet-Banken macht und statt dessen auf Wells-Fargo setzt. Zudem glaube ich, dass sich der politische Einfluss dieser Großbanken in der zweiten Amtszeit von Obama dratsisch verringern wird. Es waren doch nicht zuletzt diese vier, fünf Großbanken, welche die Welt an den Rand des Kollaps gebracht haben.
„Dieser brutale Schnitt hat die traditionsreiche Institut verändert. Heute geht Goldman mehr Risiken ein.“
Das glaube ich. Seit längerem habe ich die Vermutung, dass die beschränkte Haftung im Bankgeschäft äußerst negative Folgen hat. Im Bankgeschäft sind Fremdkapitalhebel möglich, wie sonst nirgends. Beschränke Haftung führt diese Situation dazu, dass es für die Eigenkapitalgeber rational ist, extreme Risiken einzugehen. Eine für die Volkswirtschaft nicht gerade optimale Situation.
@ Matthäus
Danke für den Hinweis. Was mir aufgefallen ist, wenn es um Goldman geht: Die gesamte emotionale Diskussion zeigt, dass die Menschen übertrieben reagieren. Ich meine, wer Goldman mit dem „Teufel“ oder einem „Todes-Tintenfisch“ vergleicht, der ist von der Realität abgerückt.
@ Reinhard
Stimmt. Obama hat nicht das große Geld von der Wall Street erhalten. Sie haben ihn im Wahlkampf kaum unterstützt. Das wird sich rächen. Ich glaube, dass ist längst im Kurs eingepreist. Lehman ist bedauerlich. Und wird die ganz große Ausnahme bleiben. Banken gehen selten unter. Extrem selten.
Stimmt, dass Buffett einen Bogen um die Banken macht. Er hat schlechte Erfahrungen mit ihnen gemacht. Er stieg bei Salomon Brothers vor 20 Jahren ein, das hat sich nicht wirklich gelohnt. Wenn der Regulierer sich solche Häuser zur Brust nimmt, kann viel schmutzige Wäsche zum Vorschein kommen. Buffett übernahm eine zeitlang die Führung von Salomon in NYC, doch er hatte keinen Spass damit.
@ Robert Michel
Ja, genau. Der typische Bank-Vorstand wurde durch die hohen Boni belohnt, wenn er extrem hohe Risiken einging. So konnte der Boni durch die Decke gehen. Aber nun hat der Regulierer eingegriffen, die EK-Anforderungen sind strikter. Und damit die Risiken geringer.
@ Da hast du absolut recht. Diese ganze Himmel-Hölle-Teufel-BlaBla-Rhetorik wird aus meiner Sicht viel zu oft missbraucht. Ich vermute, dass Goldman deshalb im Zentrum der Kritik steht, weil sie immer die Erfolgreichsten waren und auch heute zu ihnen gehören bzw. in Zukunft wieder zu ihnen gehören werden und Viele ihren Frust und Neid an ihnen auslassen.
Tim, erzähl mal deinem nächsten jüdischen Interviewpartner:
Im 2.Wk gab es einen katholischen Priester, der als junger Mann nach Warschau reiste und dort während dem Aufstand in einem Krankenhaus mit dem Krankenhauspersonal ausharrte, als die SS den Aufstand niederschlug.
Später arbeitete er als Kinder- und Jugendseelsorger in Rom und leitete dort die Führungen durch die römischen Katakomben. Auf deutsch für deutsche Touris (aber nicht nur).
Die Geschichte ist wahr. Es ist die Geschichte meines Großonkels Hieronymus Piksa.
„Leider“ setzte er sich nicht für die jüdischen Polen und Nicht-Polen, die ebenfalls in Warschau einen Aufstand im Ghetto durchführten, ein. Warum weiß ich nicht, vllt. hat er die Möglichkeit nicht gehabt. Das lässt sich nicht mehr ermitteln, da er nach dem Zusammenbruch des Kommunismus verstarb. Das Andere ist aber schriftlich festgehalten.
Jedenfalls sehe ich mich in gewisser Weise in dieser Tradition und behaupte, dass ich, wenn ich damals gelebt hätte, noch weiter gegangen wäre, und Situationen aufgesucht hätte, in denen ich jüdischen Bürgern geholfen hätte. Klingt übermütig, ich weiß.
Mich würde aber wirklich interessieren, wie ein jüdischer Geschäftsmann wie Cooperman auf solche Geschichten reagiert. Wenn er es so weit als Geschäftsmann geschafft hat und so ein immenses Vermögen angehäuft hat, dann kann er bestimmt auf einen langen Erfahrungsschatz mit Dampfplauderern und Betrügern zurückgreifen. Daher kann ich mir vorstellen, dass ihn meine Geschichte amüsieren würde, als Anekdote, zB nach dem professionellen Interview, hinterhergeschoben.
Ich erzähle es auch deshalb, weil ich meine Geschichte, als ich Anfang des Jahres in Israel war, dort Niemandem erzählte. Dort war ich als Deutscher unterwegs, der am Ironman teilnimmt. Das machte ich bewusst und konsequent so, weil ich wissen wollte, wie die Israelis nach so langer Zeit reagieren.
Ergebnis und banale Erkenntnis: Manche mögen Deutschland und sprachen sogar deutsch, andere wiederum mögen Deutschland nicht, drehten sich weg als ich ihnen von dem Grund meines Israel-Aufenthalts erzählte. (Ein Taxifahrer, der perfektes deutsch sprach, meinte, dass die Ironman-Teilnehmer sämtlichst verrückt sein müssen, womit er stückweit vllt. sogar recht haben könnte… andererseits: was weiß schon ein Taxifahrer…)
Gruß nach New York City!
Matthäus
P.S.: Ich will nicht moralisieren.
@ Matthäus
Spannende Geschichte mit Deinem Verwandten. Ob solche Storys diese amerikanischen Geldzauberer interessiert, keine Ahnung.
Viele Amerikaner wissen ohnehin wenig über die eigene Familienhistorie. Nur 38 Prozent der Amis besitzt einen Reisepass.Der Rest hat das Land nie verlassen.
Übrigens hat meine Oma Hitler, Goebbels und die anderen Verbrecher in Berlin bei öffentlichen Ansprachen erlebt. Über den Krieg, das Dritte Reich und die Zeit nach dem Krieg (als die Russen kamen) wollte sie nie sprechen. Zu schlimm war das Erlebte.
@Tim
Schätzungsweise 15 Millionen Deutsche wurden vertrieben oder sind vorher aus ihrer Heimat geflohen, weshalb ich unabhängig von der Schuldfrage aufgrund des Leids Befürworter der Errichtung eines Zentrums gegen Vertreibung bin. 2016 wird es in Berlin im sanierten Deutschlandhaus in Form einer Dauerausstellung nach jahrelangem Streit eröffnen.
Selbstverständlich haben alle Überlebende (wie auch deine Oma) an den Folgen gelitten.
Bei mir ist es ganz einfach: In meiner Familie väterlicherseits (polnisch-schlesische Seite) gab es keine Opfer von denen ich weiß!
Mütterlicherseits (deutsch-schlesische Seite), deshalb hab ich die deutsche Staatsangehörigkeit, gab es die ganz normalen Nazi-Wehrmachts-Mitläufer, von denen einige auch im Krieg ihr Leben ließen. (Niemand war im deutschen Widerstand, den es ja auch gab: Geschwister Scholl, Stauffenberg, Kreisauer Kreis, Geistliche etc.)
Für meine Familie war der Kommunismus viel schlimmer, ganz einfach weil er viel länger, nämlich über 40 Jahre, gedauert hat. Ergo wanderten meine Eltern 1989 als Spätaussiedler kurz vor dem Zusammenbruch in die BRD aus.
So: Jetzt bist du besser informiert, als die 80-90% meiner Freunde! :)
Gruß
Nachtrag „Zurück in die Zukunft“ ;)
Die deutsch-polnischen (Wirtschafts-)Beziehungen sind exzellent!
Das sieht der Bundespräsident Gauck bestimmt genauso, sonst würden solche Aussagen ganz sicher nicht zustandekommen.
@Tim
Mir fällt das jetzt erst richtig auf. Goldman wurde, wie du am Schluss schreibst, 1869 gegründet. Das bedeutet zum einen, dass die Goldmänner langsam aber sicher auf ihr 150-jähriges Jubiläum zusteuern (2019).
Darüber hinaus bedeutet es, dass die Bank auch die Weltwirtschaftskrise der 20er und 30er Jahre inkl. Großer Depression und all der vorherigen und späteren Wirren überstand. Das ist wirklich beeindruckend!
Wäre mal interessant zu erfahren, was Wirtschaftshistoriker zu den damaligen Vorgängen sagen bzw. ob sie wissen welche Rolle die Bank damals hatte etc.
Ich vergleiche die Ereignisse von heute gerne mit der damaligen Zeit und muss in diesem Zusammenhang auch an den Mark Twain'schen Kultsatz: „Geschichte wiederholt sich nicht, aber sie reimt sich!“ denken.
Für mich geht es einfach darum, dass man nicht die gleichen Fehler begehen sollte wie damals.
Angenommen die Bank war auch damals mitten drin statt nur dabei, dann gehe ich davon aus, dass der Mob auch damals auf die Straße ging und die Bank wie du schreibst verteufelte.
Da das heute auch der Fall ist, oder zumindest ähnlich, muss ich dir recht geben, nicht zum ersten Mal, dass die Masse einfach immer alles falsch macht. Zumindest oft, zu oft. Dann immer wieder Schuldige sucht, sich von Gefühlen und Emotionen leiten lässt. Ein nur allzu menschliches Verhalten.
Gruß
P.S.: Interessant: Die Deutsche Bank wurde 1870 gegründet!