Lieber Leser,
New York ist eine unglaublich aufregende Stadt. Ich gehe jede Woche auf spannende Konferenzen. Es ist erstaunlich leicht, mit Milliardären ins Gespräch zu kommen. Heute morgen traf ich einen namhaften Investor in seinem Büro. Er nahm sich gut eine halbe Stunde Zeit. Ich stand um 7.30 Uhr in der Frühe auf seiner Matte. So früh sind die Geldzauberer in New York im Büro. Eben rief mich die Sekretärin eines anderen prominenten Milliardärs an, ich habe einen neuen Termin. Ich werde diese Interviews nach und nach in meinem Blog verlinken.
Ich lerne von diesen Treffen unglaublich viel. Selbst an Sonntagen habe ich mich schon mit dem Handwerk des „Value Investings“ (Interviews, Konferenzen, Lehrgänge) herumgeschlagen.
Hin wieder bitten mich Leser, in diesem Blog einzelne Aktien zu empfehlen. Das möchte ich jedoch vermeiden. Sie sollten auf eigene Faust das finden, was Ihnen persönlich zusagt.
Um nicht zu theoretisch zu sein, schreibe ich heute, um welche Aktien ich einen Bogen machen würde. Ich bin natürlich nicht frei von Fehlern. Insofern sollten Sie meine Vorschläge nur als Anregung verstehen. Andere Meinungen lese ich gerne, da bin ich aufgeschlossen. Diese Aktien beziehungsweise Branchen würde ich meiden:
Shortwetten. Hedgefondsmanager David Einhorn hämmert derzeit auf dem Kaffeekapselhersteller Green Mountain Coffee Roasters, den Getränke-Pulver- und Pillen-Vermarkter Herbalife (Direktvertrieb) und die Fastfood-Kette Chipotle Mexican Grill ein. Einhorn ist ein cleverer Leerverkäufer (der auf fallende Kurse setzt). Vermutlich weiß er mehr, als wir erkennen können. Ich meide seine Shortwetten. Gut möglich, dass ich mit meiner Vorsicht daneben liege. Das Foto zeigt Einhorn Anfang Oktober auf dem „Value Investing Congress“ in Manhattan.
Luftfahrt. Airlines leiden seit Jahrzehnten unter einem beinharten Wettbewerb. In den USA sind die meisten Fluggesellschaften schon durch (mehrere) Insolvenzverfahren gegangen. Ich rate grundsätzlich von nahezu allen Aktien in diesem Sektor ab. Ich habe einmal in diesem Jahr eine seltene Empfehlung für die Lufthansa ausgesprochen, da war aber die Kranich-Aktie auf einem extrem ausgebombten Kursniveau. Delta Air Lines, United Continental, Air Berlin und andere sind jedenfalls nix für mich.
Soziale Medien. Facebook, Zynga, Groupon und so weiter sind viel zu teuer. Die Aktien haben auf ganzer Linie enttäuscht. Die Phase der Enttäuschungen dürfte (vorerst) anhalten.
Amazon ist nach meinem Dafürhalten zu teuer. Der zweifache Umsatz ist für einen Retailer einfach zu viel, das KGV beträgt über 100. Wow! Der Chart sieht gewiss phantastisch aus. Woran liegt das? Es handelt es sich um den weltgrößten Online-Händler. Ein Gigant. Aber wie gesagt ist die Bewertung fürstlich und richtig glänzende Erträge hat Jeff Bezos noch nicht vermeldet, denn er reinvestiert praktisch all sein erwirtschaftetes Geld zurück ins Geschäft.
PC-Bauer wie Dell oder Hewlett-Packard haben wichtige Trends verschlafen. Ob es dem Gründer Michael Dell gelingt, das Ruder herumzureißen? Ich weiß es leider nicht. Keine Ahnung. Ich lasse besser die Finger weg. Apple nimmt den einstigen Rivalen HP, Dell, Microsoft usw. die Butter vom Brot. Hewlett-Packard investiert übrigens doppelt so viel Geld in Forschung und Entwicklung wie Apple. Wahnsinn – oder? Wenn ich die Bilanzen von HP und Apple vergleiche, fallen mir gleich viele Dinge auf. Allein schon die Klarheit und saubere Struktur der Apple-Bilanz ist beeindruckend. Aber all das führt hier zu weit…
Traditionsreiche Handy-Hersteller wie Research in Motion stehen unter gewaltigem Erfolgsdruck. Der Kurs des Herstellers der bekannten Blackberry-Handys sinkt immer tiefer. Der Kursverfall ist dramatisch. Apple nimmt diesem etwas angestaubten Handy-Hersteller aus Kanada das Geschäft weg. Nokia ist mir persönlich als Turnaround-Kandidat ebenfalls etwas zu heiß. Die Belegschaft ist enorm mit 113.000 Mitarbeitern, wie sollen da die Kosten in den Griff kommen? Zugute halten muss ich den Finnen: Es gibt keinerlei Netto-Schulden in der Bilanz, auch ist Research in Motion frei von Schulden. Trotzdem sind beide nichts für mich. Eine Restrukturierung geht wohl nur über ein dramatisches Personalabbauprogramm bei den Finnen. Bei Research in Motion kann ich mir eine Übernahme durch einen Giganten wie Google oder Microsoft vorstellen.
Solarzellenhersteller. Solarworld, First Solar, Hanwha Solar und andere Sonnenanbeter. Nichts für mich. Der Konkurrenzkampf ist brutal. Die Chinesen überrollen den Markt mit billigen Solarzellen. Da kann kaum ein Unternehmen mithalten. Gelingt einigen der Turnaround? Das kann gut sein. Mir ist das Segment jedenfalls zu heiß, die Risiken sind enorm.
Best Buy. Die Elektronikkette leidet unter teuren Ladenmieten und schrumpfenden Umsätzen im stationären Einzelhandel. Elektronik wird mehr und mehr im Web verkauft. Ebay, Amazon & Co sind die Gewinner dieses Trends. Der Retailer Sears Holdings (Kmart, Sears) leidet ebenso unter dem harten stationären Einzelhandel.
Computerspiele. Der Erfolg von Spielen lässt sich im Endeffekt nicht planen. Es ist ein schwieriges Geschäft, in dem erfolgreiche Ideen hin und wieder einfach abgekupfert werden. Electronic Arts ist daher nichts für mich.
Salesforce.com. Der Cloud-Computing-König ist sauteuer. Nichts für mich. Das Unternehmen wächst wie verrückt. Klar, das ist toll. Mir ist nur die Bewertung zu ambitioniert.
Die Hausbauer in den USA sind zu teuer geworden. Sie werden mit dem zwei- bis dreifachen Buchwert gehandelt. Toll Brothers, KB Home, Lennar Corp, Beazer Homes, Hovnanian Enterprises und andere würde ich meiden. Jetzt müssen erst mal die Gewinne und Buchwerte in die neuen Bewertungen der Hausbauer hineinwachsen. Es gibt einfach zu viele Vorschusslorbeeren für sie. Die Branche hat sicherlich Nachholpotential. Nur ging diese Rallye zu schnell. Das ist jedenfalls meine Meinung.
Puts würde ich keine kaufen. Ich meide diese hier erwähnten Aktien nur. Nichts für ungut. Über das eine oder andere Unternehmen kann man zugegebenermaßen streiten, ob es nun teuer oder fair bewertet wird. Ich wünsche Ihnen viel Erfolg an der Börse.
Hallo Tim,
kann dir nur voll und ganz zustimmen, super Artikel. Persönlich denke ich ganz genauso über die angesprochenen Unternehmen (mit Ausnahme vielleicht von Microsoft). Das zeigt auch mal wieder, dass man sich bei jeder einzelnen Investiton Gedanken machen sollte und pauschales Vorgehen immer sehr problematisch ist.
Viele Grüße
David
Von Put-Optionsscheinen halte ich auch überhaupt nichts. Optionsscheine sind eine Wissenschaft für sich. Die sind künstlich von Banken geschaffen, haben einen inneren Wert, einen Zeitwert, einen Hebel, Delta, Gamma und was weiss ich noch alles.
Hab in meiner Anfangszeit zwei Mal Optionsscheine gekauft. Beide Male einen Totalverlust erlitten. Die sind meiner Meinung nach so konstruiert, dass die emittierende Bank gewinnt.
Die Basiswerte waren damals sogar in die richtige Richtung gelaufen. Trotzdem verloren die Optionsscheine rasend schnell an Wert. Damit muss man sich richtig auskennen. Dazu kommt, dass die Zeit gegen einen läuft. Die haben ja einen Verfallstag. Der Basiswert kann aber sehr sehr lange -trotz massiver Überbewertung- nach oben laufen.
Ich lass davon auch die Finger!
Gruss
Schon allein wie ein täglicher Reset sich bei einem gehebelten Wert auswirkt ist verblüffend.
Da reicht nur ein Seitwärtstrend und schon wird einem der Einsatz quasi „weggeschliffen“ … da kann die Bank natürlich großzüg sein und das Papier mit „Open-End“ versehen…
Leider verpasst man halt so auch die Gewinner: Apple, amazon,google und ebay gab's auch schon deutlich preiswerter. Ich hätte nichts dagegen, wenn ich sie vor drei Jahren gekauft hätte. Habe ich leider nicht, weil ich auch um die Tech-Werte einen Bogen gemacht habe.
Ob es richtig war?
@Reinhard
Da hast Du Dir ja nun auch vier Tech-Unternehmen ausgesucht, die zwar hoch bewertet sind, aber alle gutes Geld verdienen – und viel. Ich denke, bei solchen Werten muss man genauer hinsehen und zum Beispiel mit dem gewichteten KGV arbeiten, der PEG (Price-Earnings-Growth-Ratio). Auch schnell wachsende Unternehmen können unter Value-Aspekten interessant sein, auch wenn das KGV oder das KUV vielleicht nach traditionellen Maßstäben (optisch) hoch erscheinen. Wenn die sonstigen Parameter stimmen, z.B. eine ausgezeichnete und schwer einzunehmende Marktstellung, sollte man die Unternehmen nicht per se von der Liste streichen. Eine Amazon würde ich aktuell für attraktiv halten, denn die investieren massiv in die Zukunft. Daher sieht das KGV für 2012, 2013 und ansatzweise für 2014 auch echt mau aus. Wenn man aber bedenkt, dass Amazon nicht nur eigene Waren verkauft, sondern vor allem zum Logistiker für Fremdfirmen wird, die über Amazon (aber nicht nur dort) ihre Waren verkaufen, dann ist Amazon eher ein Infrastrukturwert in Sachen E-Commerce. Und die Investitionen in den Kindle werden sich auch lohnen (auch wenn die Geräte wohl unter Herstellungskosten verkauft werden), weil Amazon so einen eigenen abgeschotteten Markt schafft als Konkurrenz zu Apples iTunes. Wenn die Leute die Geräte haben, werden sie wegen des nur damit nutzbaren Contents auch weiterhin bei diesem Anbieter kaufen. Das ist wie Drogensucht ohne Drogen, Abhängigkeit pur. Gut für den Händler und gut für den Aktienkurs.
Von Groupon oder facebook würde ich auch weiterhin die Finger lassen. Da passen Bewertung, Geschäftsmodell und Umsätze/Erträge gar nicht zusammen.
Die Worte von Michael gefallen mir. Hier spiegeln sich meine Überlegungen.
Ich habe Apple, Amazon und Google tatsächlich vor einigen Jahren ins Depot geholt, weil mich hervorragende Zahlen, Marktstellung und Produkte überzeugten.
Solange sich meine Einschätzung nicht ändert, wir das auch so bleiben.
Über die Gefahren bin ich mir bewußt – mit Henkel und Colgate schläft man wohl ruhiger.
@ David
Microsoft ist eine spannende Aktie, da hast Du mich falsch verstanden. Seit dem IPO hat der Softwarehersteller eine gigantische Performance eingefahren. Es gibt nur wenige Papiere, die besser abschnitten. Momentan steht Microsoft aber ein wenig unter Druck, weil weniger PCs abgesetzt werden (Stichwort Siegeszug von Apple) und in der Web-Suche kommt Bing auch gegen Google nicht voran. Trotzdem ist Microsoft ein starkes Papier.
@ Stefan
Puts sind in der Tat extrem gefährlich. Ich lasse im Endeffekt von allen künstlichen Finanzprodukten die Finger. Mir sind diese Dinger schleierhaft. Allein wenn ich mir überlege, dass unsere lieben Banken den Libor-Zinssatz manipulieren und Millionen von Derivaten auf diesem manipulierten Libor basieren, dann wird es mir ganz übel dabei.
@ Alex
Wenn man alle künstlichen Finanzprodukte in einen Topf wirft, alle Gebühren abzieht und dann ausrechnet, was am Ende beim Kunden hängen bleibt: So muss ein fetter Verlust stehen bleiben – meiner Meinung nach.
@Reinhard
Hinterher ist man immer schlauer. Tech-Werte sind ziemlich unberechenbar, weil sich die Trends so schnell ändern. Siehe HP, siehe Nokia, siehe Kodak…
@Michael
Amazon hat in der Tat ein Monopol aufgebaut. Es ist das größte Online-Kaufhaus. Das Ding brummt, der Umsatz läuft wie verrückt. So schnell nimmt denen niemand die Butter vom Brot. Nur mir ist die Bewertung zu üppig. Trotzdem kann das weiter laufen. Vielleicht ist das in 10 Jahren unglaublich groß. Und steckt alle stationären Händler in die Tasche. Amazon ist kein schlechtes Unternehmen, im Gegenteil: Jeff Bezos ist ein Genie.
@Sebastian
Ich weiß, Michael ist clever. Seine Kommentare sind super. Gratulation zu Apple, Amazon und Google. Da hast Du einen phantastischen Lauf mitgemacht.